Die
babylonifche Hure,
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über; in ihrer Mitte aber fteht ein Mann in kurzem Rock,
deffen Schlitzärmel tief herabfallen, wie der Zipfel feiner
Kappe; er hat den Arm entfchloffen in die Hüfte geftützt
und fchaut linfter prüfeild nach dem Ungethüm hinüber.
Ob nun ein Gelehrter, ein Künfller oder ein Handwerker
darunter gemeint fei, er vertritt hier den kühnften Gedanken
feines Zeitalters und bildet den Gegenfatz zu dem Mönche
neben ihm im äufserfien Vordergrunde, der allein mit
frommer Geberde, gefpitztem Mund und weit geöffneten
Augen anbetend niederfinkt vor dem gekrönten Weibe.
Oben am Himmel fchwebt bereits der Engel aus dem
I8. Capitel, er deutet auf die brennende Stadt an den
Wäffern und ruft mit Macht und voller Stimme herab zu
der Menfchengruppe: wSie ift gefallen, fie ift gefallen, Ba-
bylon die grofse, und eine Behaufung der Teufel gCWOYClCIM
u. f. f. 1). Und der andere Engel fahrt herab mit dem Mühl-
ftein, ihn in's Meer zu werfen und zu rufen: vAlfO wird mit
einem Sturm verworfen die grofse Stadt Babylon und nicht mehr
erfunden werdena i). Zur linken aber öffnet {ich der Himmel
und reitet geharnifcht auf dem weifsen Pferde hervor das
wWort Gottes (r und ihm nach die himmlifchen Heerfchaarenß),
um endlich das neue Ierufalem aufzurichten. Für dies ge-
waltige Bild giebt es nur eine Erklärung: Dürer dachte
bei dem Weibe auf dem fiebenköpfigen Thier, bei ßder
grofsen Stadt, die bekleidet war mit Seiden und Purpur
und Scharlach und übergoldet war mit Golde und Edel-
fieinen und Perlena nicht wie der Verfaffer der Apokalypfe
an die alte Stadt auf den {ieben Hügeln, fondern an das
päpftliche Rom feiner Tage. Unter diefer nothwendigen
Annahme klingt allerdings der apokalyptifche Text wie ein
geiftliches Revolutionslied, und es wird begreiflich, wie die
Bildwerke Dürers daneben einfchlugen, gleich einem Un-
gewitter: vBezahlet ihr, wie fie euch bezahlet hat, und
Cap.
Vers
5
18.
21
Vers
CaP-