Schweizerkrieg,
Pirkheixners
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Materiale aufbaut, welches den hiftorifchen Boden für Dürers
Perfönlichkeit bildet. Als erwiefen dürfen wir immerhin
annehmen, dafs _f1cl1 kurz vor Thorfchlufs des XV. Jahr-
hunderts in einer deutfchen Kriegerfchaar, geführt von einem
Bürger, dem die Sprache und die Gedankenwelt des alten
Hellas vertraut waren, auch mindeftens Ein Künftler befand,
tüchtig an Auge, Herz und Hand. Das Bild, welches diefer
heimbrachte von dem, was fie gefchaut, vollbracht und
erlitten hatten, kann {ich freilich nicht meffen mit dem,
welches der Gelehrte in feinem Buche niederlegte. Aber
Eins gehört zum Andern; der eine fprach zu den
Wenigen Gebildeten, der andere fprach in Bild und Wort
zu allem Volke Wer wollte entfcheiden, welcher von
beiden in feiner Zeit damit mehr gewirkt und gefördert
habe? Heute freilich ift der Zeichner vergeffen, fein Werk
faft unbekannt, indefs Pirkheimers Commentar dazu feine
claffifche Objectivität für immer bewahrt hat und darin die-
Lichtblitze einer neuen Welt von Empfindungen und Ideen.
Welche edlen Worte legt er z. B. jenem Schweizermädchen
in den Mund, die ftolz den Frieden anzubieten kommt, fie
klingen wie eine Verherrlichung des feindlichen Gemein-
wefens, feiner Sitten und feiner Freiheit. Und wie bitter
wird er hinwiederum gegen diefelben Schweizer, wo er zum
Schluffe von dem feilen Volke fpricht, das fich an die
Franzofen verkauft vzur ewigen Schmach der gefanimten
deutfchen Natione.
Eine andere Epifode feiner Erzählung kennzeichnet den
Standpunkt des Humaniften vielleicht am heften. Von der
verheerenden Expedition durch das Engadin wird Pirkheimer
vom Kaifer mit 200 Leuten über das Stilffer-Joch hinüber-
gefaildt nach Worms oder Bormio, Proviants halber. Auf
dem Wege dahin. kommt er durch ein grofses ausgebranntes
Dorf, an deffen Ausgange zwei alte Weiber an die 400 Kinder,
Knaben und Mädchen, gleich einer Herde vor {ich hertreiben.
Alle flnd fo blafs und mager und fo kraftlos, dafs ihr Anblick
Schaudern erregt. Pirkheimer fragte nun die beiden Alten,
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