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VlII.
mit Wolgemut und
Der Wettfireit
Kupferfliche,
frühen
die
für das unbeachtete V erdienft. In diefem mächtigen Frauen-
leibe verkörpert, tritt der nordifche Naturculttis zuerPc voll-
bewufst und triumphierend in die Kunftgefchichte. Um den
Preis der Wahrheit ift alles geopfert, was wir nach unferenl
antikifierenden äfrhetifchen Formalismus etwa fchön nennen
möchten. Und doch beugt {ich der Gefchmack vor der
unvergänglichen Echtheit diefer Formen, vor der Fülle des
Lebens, das aus diefen Gliedern quillt. Die Nemefis bezeichnet
gewiffermafsen den Höhepunkt, auf welchem Dürer in feiner
vorurtheilsfreien Schulung nach dem Nackten angelangt war.
Seine weitere Ausbildung in diefer Richtung wird immer
mehr und mehr von feinen Forfchungen nach den Proportionen
des menfchlichen Körpers beeinflufst.
Was den tieferen Sinn und die äufsere Veranlaffuilg
diefer Darftelltuug der Nemefis anbelangt, fo drängt {ich mir
ein ganz beftimmter Gedankengang auf, den ich nicht zurück-
halten will, auf die Gefahr hin, dafs er irrig fei; denn er
gewährt uns zugleich einen bedeutfamen Ausblick auf den
hiftorifchen Hintergrund, vor welchem f1cl1 damals Dürers
Schaffen bewegte. Unter dem Wolkenfatlme, über welchem
die Nemefis rechtshin gewandt fchwebt, hat Dürer eine
Landfchaft dargeftellt. Mitten zwifchen {teilen Felsgehängen
am Zufammenfluffe zweier Giefsbäche {ieht man eine Ort-
fchaft, die, fo wie fxe daliegt um das gothifche Kirchlein,
flcher kein Phantafiegebilde ift, fondern auf irgend eine Natur-
aufnahme, auf eine beflimmte Gegend zurückführt. Zu
Sandrarts Zeit wollte man darin Eytas bei Grofswardein
erkennen, woher Dürers Vater ftammte. Abgefehen von
der Schwierigkeit, das Herkommen der Anficht bis in Dürers
Hände zu erklären, hat auch Charakter und Lage der Ort-
fchaft mit der ungarifchen PuPta nicht das mindefte gemein.
Es ift vielmehr eine Gegend im Gebirge, ja geradezu eine
Felfenfchlucht, was {ich hier vor unferen Blicken aufthut.
Offenbar fcheint doch die Oertlichkeit, welche hier gemeint
ift, mit der Nemefis in den Wolken in irgend einem gedank-
lichen Zufammenhange zu flehen. Ein denkwürdiges Stück