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Vlll.
mit Wolgemut und
Der WVettftreit
frühen
Kupferftiche,
und deren mit W bezeichnete Platten in deffen Befitz blieben.
Als fich dann Dürer endlich im Jahre 1497 ganz felbfländig
machte, war er darauf bedacht, fein geiftiges Eigenthum an
diefen Kupfern zurückzunehmen, er flach fie fämmtlich auf s
Genauefte nach und verfah die neuen Platten mit feinem
nun erft angenommenen berühmten Monogramm. Dies der
einzig mögliche Sachverhalt.
An der Hand des Anatomen und Archäologen Hart-
mann Schedel konnte Wolgemut allerdings zur Entlehnilng
antiker Motive, wie zum befferen V erftändniffe des Nackten
gelangen. Die trockene Compilation aus den Trümmern
fremder Arbeiten wäre demnach fein Werk, die Compofltioxl
beforgte Dürer. Dürer ift der geborene Compofiteur, und
er ift in feinen Erfindungen ftets von peinlicher Selbftändig-
keit. Wenn er in feiner Jugend die Werke anderer Meifter
fludiert und nachbildet, fo verfolgt er damit indirect den
ausgefprochenen Zweck, fein Auge, feine Hand zu bilden.
Er copiert Mantegna um des Seelenausdruckes und der
plaftifchen Bewegtheit, Wolgemut um der technifchen Voll-
endung willen. Es galt, der noch widerfpenfligen Kupfer-
platte Herr zu werden. Aber auch die etwas fchenlatifchen,
posierenden nackten Geftalten auf jenen grofsen Stichen,
insbefondere die weiblichen, die Amymone, die Dejanira, die
Venus, welche auf vdem Traum des Doctorsr zuerit in der
nordifchen Kunft ihre Reize enthüllte, vdie vier Hexenr, in
denen der weibliche Körper von allen Seiten zur Schau
geftellt war, waren wohl geeignet, den Wetteifer Dürers
herauszufordern. Lehrreich ift in diefer HlllflCht ein Ver-
gleich mit jenen kleinen Kupferftichen, die wir als erfte
Originalarbeiten Dürers aus der gleichen Zeit anfehen müffen.
Dahin gehört z. B. der heilige Sebaftian, von vorne gefehen,
mit dem überlangen Rümpfe und dem grofsen apokalyp-
tifchen Kopfe 1), und der ltehende Schmerzensmann mit den
erhobenen Händen, an dem die wulftige Anatomie, die Ver-
Bartfch,