212
VIII.
mit XVolgenmut und
Der WVectfireit
Kupferftiche.
frühen
ihn hat auch der Tod mehr Ernft aber weniger Schrecken,
er ift ihm weder das nackte Scheufal noch der muthwillige
Poffenreifser 1). Nicht als kahles Gerippe, fondern als wohl-
gebauter wilder Mann küfst er fanft das blühende Weib auf
dem Wappen des Todes, dem Kupferftiche von 1503. Wenn
das Skelett fonit in feinen Compofitionen ja vorkommt, fo
ift es gröfstentheils verhüllt und fleht ruhig da mit der
Sanduhr, gleich einer warnenden Erfcheinung; fo auf dem
Flugblatte von 1510 und ähnlich im Gebetbuche Kaifer
Maximilians?) dann im Kupferftiche Ritter, Tod und Teufel
von 1513. Nur einmal bildet Dürer den Tod als ganz
unverhülltes Gerippe in feiner ganzen Furchtbarkeit auf der
grofsen Kreidezeichnung in der Sammlung des Mr. Malcolm
in London. Auf einem elenden, weit ausgreifenden Schinder-
gaul, dem eine mächtige Schelle um den Hals baumelt, fitzt er
vorgebeugt, {ich mit der Rechten an der Mähne ankrampfend
und auf den Ellenbogen geitützt, mit der Linken die Hippe
nachfchleifend, wie müde von der Arbeit. Er trägt blos
eine Zinkenkrone auf dem Haupte; vor ihm fteht in grofsen
Lettern: MEMENTO MEI 1505 wohl mit Bezug auf das
grofse Sterben, die Seuche, die damals in Nürnberg wüthete.
So reitet König Tod über Land! Da ift keine Spur von
Komik, von Satire, auch kein widerlicher Contraft. Die ein-
fache Grofsartigkeit der Conception läfst nicht einmal das
Entfetzen am Gcgenllande aufkommen. Erft Alfred Rethel
hat in unferen Tagen etwas von diefer Auffaffting wieder-
gefunden. Die Art, wie Dürer den Tod gebildet, ift fo auch
ein Zeugnifs dafür, dafs er mit feinen Empfindungen weniger
dem Mittelalter, als der neuen, modernen Zeit angehört. Nicht
in dem Mafse gilt dies von Michel Wolgeniut, dem die Er-
l) Vergl. auch Thauflng: Hans
Baldung Grien unrl nicht Dürer,
Jahrb. f. Kunllw. II. 215-217.
2) Dort wohl auch einmal mit der
Hippe einen fliehenden Reiter ver-
folgend. Im Befxtze des Malers Leon
Bonnat in Paris eine fehr feine Feder-
Zeichnung von 15I4: Ein Bifchof
(Sh. Nicolaus von zwei Diaconen
gefolgt in einer Säulenhalle, zu (einer
Linken fchreitet der Tod als Skelett, in
einen Mantel gehüllt, mit dem Spaten.
liacümile bei GiufeppeVallardi, T rionfo
e danza. della morte etc. Milano 1859.