Volltext: Dürer (Bd. 1)

Wblgemut. 
Originale Von 
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müffe. So fehr fie auch bemüht find, den Kreis der Dar; 
Prellungen zu erweitern, eben fo unbefangen beharren sie 
anderfeits auch bei den einmal gefundenen, gewohnten und 
beliebten Gegenfländen. Wie in der claffifchen Kunfl kehren 
auch in der Renaiffance diefelben biblifchen, mythologifchen 
oder profanen Gefchichten, die gleichen typifchen Geffalten 
immer wieder, und die Betonung liegt nicht in dem was, 
fondern in der Art, wie gefchildert wird. Im dunklen Be- 
wufzstfein der unumfchränkten Vorherrfchaft der Form auf 
dem Gebiete der KunPc, haben die grofsen MeiPcer aller 
Zeiten niemals AnPcand genommen, von anderen zu ent- 
lehnen, was {ich ihnen als wahlverwandt und nachahmens- 
werth darbot. In diefem raPrlofen Suchen und Finden, 
Aufnehmen und Abgeben liegt das Geheimnifs eines gefunden 
KunPclebens, Welches wir, im Vergleiche zu dem Stoffwechfel 
der organifchen Natur, den Pceten Formenwechfel der geiPcigen 
Welt nennen könnten. 
Unter folchen Umftänden ift es zuweilen gewagt, von 
zwei {ich nahezu entfprechenden Kunltwerken, blos das eine 
als Original hochfchätzen, das andere als Copie unbedingt 
verwerfen zu wollen. In vielen Fällen, wo die Unterfcheidung 
keiner Schwierigkeit unterliegt, wird auch ein folcher Ab- 
Pcand der Urtheile in dem Mafse gerechtfertigt fein, als der 
Nachahmer zeitlich, räumlich und geiftig dem Urheber ferne 
fleht. Denn um eine gute Copie iPc es doch ein eigen Ding; 
und bei noch fo peinlicher Genauigkeit wird es der erPcen, 
beften Hand fo wenig, wie der correcten Mafchine gelingen, 
das Werk des Meifters bis zur Gleichwerthigkeit aufzuwiegen. 
Wo dies Ziel dennoch erreicht wurde, da müffen eben fo 
eigenthümliche Vorbedingungen gewaltet haben, wie die ift, 
dafs ein hochbegabter Schüler feinen ganzen Ehrgeiz darein 
fetzt, die Werke feines MeiPcers zu übermeiftern. Indem 
Dürer die AKupferftiche Wolgemuts nachbildete, kam ihm 
feine innige Vertrautheit mit deffen Auffaffung und Dar- 
Ilellungsweife ungemein zu flatten. Wie kein anderer hatte 
er Einblick in das Schaffen feines Meiflers, und zugleich
	        
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