F ränkifche Stecher.
203
erfcheinen. Immerhin bleibt aber die Thatfache beachtens-
werth, dafs auch in Deutfchlaild die Befreiung der Formen
und ein gefunder Naturalismus in der Malerei nicht aufkommen
konnte, ohne dafs eine Befruchtung durch die clafflfche Wiffen-
fchaft vorausgegangen wäre.
Der Kupferftich zählte gegen den Ausgang des XV.
Jahrhunderts in Nürnberg und im benachbarten fränkifch-
baierifchen Lande bereits einige namhafte Vertreter, die {ich
durch Reichthum der Erfindung eben fo vergleichen, als iie
{ich durch eigenartige Zeichnung und Technik von einander
unterfcheiden. Gerade die herbe Selbftändigkeit diefer älteften
fränkifchen Stecher konnte die breitePce Grundlage für eine
glänzende Weiterentwickelung der Kupferftechkunft darbieten,
fobald flCll eine allgemeinere Begabung aller ihrer vereinzelten
Richtungen bemächtigte. Alterthümlich harte Formen zeigen
die Stiche, welche dem berühmten Nürnberger Holzfchnitzer
Veit Stofs zugefchrieben werden; die vielgebrochenen Ge-
wänder, wie die unruhige, Haumige Schattierung deuten auf
niederländifche Schule. Ein gewandter fchwungvoller Zeichner
ift der Meifter M. Z., genannt Matthaeus Zafinger oder Zatzinger;
feine Stichweife ift zwar fpitz und fchütter aber durchaus
malerifch, insbefondere in der Behandlung von Trachten
und Landfchaften. Dagegen hat Mair von Landshut in
feinen feft umfchriebenen Geiialten, wie in feinen phan-
tafiifchen, mafliven Bauwerken einen entfchiedenen Zug zur
plaftifchen F ormengebung. Diefen drei Meiiiern von fo aus-
geprägter Eigenthümlichkeit fchliefsen wir nun das noch
bunte und unbegrenzte Kupferwerk Michael Wolgemuts an.
Bis in den Beginn unferes Jahrhunderts galt Wolgemut
allgemein auch als Kupferftecher, und es wurden ihm alle
jene Platten zugefchrieben, die unten in der Mitte mit dem
Buchftaben W bezeichnet find. Da fand Adam Bartfch auf
einem Abdrucke des auch von Schongauer gefiochenen
Schmerzensmannes zwifchen Maria und Johannes 1) in der
Peintre-Graveur,
325.