Ilartmann Schedel.
ZOI
von antiken Formen und Idealen nach feinen eigenen Feder-
zeichnungen beurtheilen. Diefe entfprechen jenen gewifs
eben fo wenig, wie etwa feine "nackten Figuren der Summe
feiner anatomifchen Kenntniffe. Von der gedanklichen Vor-
fiellung bis zur bildlichen Geftaltung ift gar ein weiter Weg;
nur langfam hat die Kunfi denfelben zurückgelegt, und am
wenigften konnte ihr eine ungelenke Gelehrtenhand nur fo
im Fluge folgen. Schedels Begriffe von der Antike müffen
bei aller Urfprünglichkeit ganz unvergleichlich beffer gewefen
fein, als feine Zeichnungen. Er hatte ja mit eigenen Augen
und zugleich mit warmem Intereffe antike Bildwerke an-
gefchaut, die damals in Padua und Umgebung noch gewöhn-
licher vorkamen; er kannte ficher auch die Sammlung von
Gypsabgüffen, welche Andrea Squarcione in feiner Werkitätte
angelegt hatte. Der Gebrauch, welchen deffen Adoptivfohn,
der grofse Mantegna, davon zu machen verftand, mufste ja
jedem die Augen öffnen. Und Hartmanil Schedel war Zeuge
davon. Irgend einen Abklatfch nach der Antike nahm er
wohl felbft mit in die Heimath; manche Abbildung von
Künftlerhand und manchen italienifchen Kupferftich bewahrte
er mit feinem Schatze von gefchriebenen und gedruckten
Büchern, die nachmals in den Beiitz des Herzogs Albrecht V.
von Baiern gelangten.
Hartmann Schedel ift fomit der frühefie Vorläufer Winckel-
manns und unferer claffifchen Archäologen. Seine Heim-
kehr nach Nürnberg erfolgte um das Jahr 14801). Er be-
wohnte dafelbft fein Haus vunter der VePcenr, in der nächPcen
Nachbarfchaft Wolgemuts. Am 30. November 1489 hatte
Dürer feine Lehrzeit bei diefem vollendet und im April des
folgenden Jahres ging er auf Wanderfchaft. Kaum aber
hatte er Nürnberg den Rücken gekehrt, fo vollzog fich da-
felbft die erfte nachweisbare Annäherung der claffifchen
Gelehrfamkeit an die deutfche KunPc. Im Jahre 1491 ver-
I) 1481 erfcheint Hartmann Sche-
del das erftemal in den Bürger-
biichern;
Murr, Journal XV, 2 5 ff,