Bildniff e.
Frühe
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Diefe Fluth von Locken, ungekünftelt und ungefarbt, ift mit
einer Wahrheit, Weichheit und Farbengltith fonder gleichen
wiedergegeben. Man glaubt hineinfaffen zu können in diefe
Fülle, jedes Haar fcheint {ichtbar und doch ift die Durch-
führung nirgends in's Kleine verfolgt, ja ungleich Weniger,
als in manchen fpäteren Arbeiten, in denen Dürer fein ge-
rühmtes Gefchick in der Haarbehandlung bis zu einer Vir-
tuofität trieb, deren äufserliche Vorzüge fich auch die Copiften
und Fälfcher anzueignen wufsten. Hier iPc die Belebung des
Haarwuchfes noch mehr durch coloriftifche Mittel als durch
Einzelnheiteil der Zeichnung erzielt. Der leichte weifse Schleier,
der wie ein Hauch das Köpfchen bedeckt und bis über die
Augenbrauen herabfällt, iPt kaum fichtbar. Die Ausführung
iPc fo genau, dafs in der Schliefse des Korallenarmbandes
noch ein Chriftus am Kreuz zwifchen Maria und Johannes
erkennbar ift. In der Copie des Städelfchen Inftitutes ift
das Armband zu einem Rofenkranze geworden, die Farben
von Kleid und Saum werden vertaufcht, das Haupt mit einem
perlenbefetzten Stirnbande geziert, links oben das Wappen
der Fürleger angebracht. Ob {ich das letztere jemals auf
dem Originale befunden habe, fleht dahin l).
Dem früheften Bildniffe, das Dürer auf ausdrückliche
Beftellung gemalt haben mag, begegnen wir erit im Jahre
1499; es ift das Porträt des Oswald Krell in der königl.
Pinakothek zu München. Es ift keine einnehmende Per-
fönlichkeit, die hier in aller Herbheit ihrer Erfcheinung dar-
geftellt wird. Der knochige, bartlofe Kopf des jungen
Mannes iPc etwas nach links gewandt, und ernft, faft mürrifch
blicken die Augen aus den äufserften Winkeln heraus. Das
fchwarze Sammetkleid ftimmt gut zu dem rothen Vorhange
im Grunde, der links den Ausblick auf hochftämmige Bäume
frei läfst. Mit befonderer Sorgfalt ift wieder das Haar und
der von der rechten Schulter herabfallende, mit der linken
F auf'n zufammengehaltene Pelzrock behandelt. Auch die
l) Wenigflens hat Eigner, der das Bild leider refiaurierte, es nicht gefunden.
Thaufing, Dürer. I3