Der
Veiter
Altar.
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unter dem Drucke äufserer Verhältniffe von der fchlichten,
grofsartigen Formenau-ffaffung feiner erften Jahre abgekommen
ifl. Sein Reichthum ergeht llCh nun in einem Gewimmel
von Figuren und bunten Einzelheiten, und es hat lange ge-
dauert, ehe llCh feine Einficht Wieder zu einfacher Gröfse
erhob. Auch in dem Bellreben nach einer richtigen Linear-
perfpective zeigt diefer {teil aufgethürmte Calvarienberg
keinen Fortfchritt. Die Ausführung in Tempera und Oel
dürfte nur zum geringften Theile von Dürers Hand her-
Pcammen; dies lehrt fchon der Vergleich mit den dazu ge-
hörenden Zeichnungen. Dürer folgte darin der gemeinen
Uebung feiner Kunitgenoffen in ganz Oberdeutfchland, wo
man an ein Altarbild keine fo hohen Anforderungen fiellte,
Wie in den Niederlanden und in Italien. Bezeichnend ift
in diefer Hinficht die Aeufserung, welche Dürer noch in
dem Briefe an Jakob Heller vom 4. November 1508 macht,
wo er von der Ausführung einer Tafel mit dem allergröfsten
Fleifse fagt: wEs wäre auch nie erhört worden, auf einen
Altar folch' Ding zu machen, wer möchte es fehenv i)!
Der MeiPcer begnügte {ich eben, eine Heifsige Skizze
zu entwerfen, auch wohl diefelbe zeichnend mit dunklen
Pinfelftrichen auf die grundierte Tafel zu übertragen, wie
das an dünnen und fchadhaften Stellen in den Gemälden
nachweisbar ift. Das Uebrige that dann einer oder mehrere
feiner Schüler, Gefellen oder Knechte. Der Löwenantheil
an der Malerei des St. Veiter Altares gehört zweifelsohne
dem jungen Hans Schäufelein von Nördlingen an. Man
erkennt ihn an vielen männlichen, nach einer beftimmten
Richtung hin idealiiierten Köpfen. Es lind längliche, regel-
mäfsige Gelichter mit vorfpringenden Stirnen und Brauen,
mit bedeutenden, wenig eingefattelten Nafen und tief ein-
geprägten Mundwinkeln, die den fonft edlen Zügen einen
Anflug von ironifchem Lächeln verleihen. Dagegen gehört
der lebensgrofse St. Sebaftian auf dem linken Flügel ganz
Dürers
Briefe