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Heirath
und
I-Iausüand.
die fchläfrigen Augen und die fonfiige Aehnlichkeit auf eine
nahe Verwandte derfelben, vielleicht eine vor der Zeit ver-
ftorbene Tochter der Zinnerin, von der keine Nachricht auf
uns gekommen ift. Mögen diefe Annahmen auch ungenügend
begründet fein, fo erfcheinen fie doch immerhin geeignet zur
Anreihung einiger vortrefflichen Porträtzeichnungen Dürers,
hinter denen fich gewohnte Hausgenoffen vermuthen laffen.
Ueberfehen wir unter Beherzigung der Zeit- und Orts-
verhältniffe nochmals die äufseren Bedingungen, unter denen
Dürer in die Ehe trat, fo müffen wir geliehen, er machte
was man heutzutage eine glänzende Partie nennen
würde. Den günfligen Standes- und Vermögensverhältniffen
der Braut entfprachen auch in hohem Mafse ihre körper-
lichen Vorzüge. Die Beweife dafür iind uns noch in einer
Reihe von Porträtzeichnungen von des Meifters Hand über-
liefert. Aus der erften Zeit ihrer Ehe Ptammt eine freilich
fehr undeutliche und flüchtige Federfkizze in der Albertina,
mit der Unterfchrift' xMein Angnese. Sie zeigt die junge
Frau in der Hausfchürze vor einem Tifche fitzend, den
Mund, wie fchlummernd, auf den Handrücken geftützt. Das
Blatt fcheint mehr einem Scherz, als vorgefafster Abficht
feine Entftehung zu verdanken; es verräth- von der Kopf-
bildung kaum mehr als die fonft von der Haube verdeckte
hohe Stirn und die fcharf vorfpringende Nafe 1). Diefelbe
ungünftige Kopfftellung hat ein nahezu gleichzeitiges und
gleich grofses Bruftbildchen in der Sammlung der Kunfthalle
zu Bremen; nur ift es emfig auf grau grundiertem Papier
mit SiIberPcift ausgeführt und weifs gehöht; es ift noch
daffelbe fchmale Mädchengeficht mit der geraden Nafe ü).
Wie ganz anders entwickelt erfcheint Frau Agnes bereits
einige Jahre fpäter. Dürer hat fle im Jahre 1500 in ganzer
Geftalt mit Wafferfarben abgebildet. Sie erfcheint als fchmucke,
züchtige Hausfrau mit gefenktem Haupt und Blick, in weifser
I) Abgeb. in Facümile,
bild. Kunft lV. 33.
Zeitfchr,
2) Abbildung
Tafel zu S. 34.
Dürer
bei
Qllantin,