Architektur.
Landfchaft.
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mit ihren reichen Perfpectiven einen befonderen Reiz auf
ihn aus. Die leichten Bogenhallen auf fchlanken, durch
mächtige Schliefsen verbundenen Pfeilern, wie fie der eben
erPc erbauten Kirche S. Maria Formofa (1491) und ähnlich,
wenn auch einfacher, und zierlicher dem etwas älteren Kirch-
lein S. Giovanni Crifoftomo (1483) eigenthümlich find, prägten
{ich damals fchon lebhaft feinem Gedächtniffe ein. Wenigftens
erfcheinen in den Architekturen früher Compofitionen von
Dürer, z. B. in denen der ßgrünen Paffiom von I 504, ganz ähn-
liche Bogenfyfteme. Wenn diefelben auch willkürlich behan-
delt find und nicht an eine unmittelbare Entlehnung zu denken
erlauben, fo kann Dürer folche Erinnerungen doch kaum
anderwärts als in Venedig gefammelt haben. Auch ohne
durch Einzelftudien feitgehalten zu fein, boten fich ihm diefe
Motive dar, fobald er ftatt der gewohnten landfchaftlichen
Umgebung eine architektonifche Raumentwickelung im Sinne
der Renaiffance anftrebte.
Von Dürers erfiem Aufenthalte in Venedig ftammt
auch das Miniatur-Bild eines Löwen mit der echten Be-
Zeichnung: 1494 2! neben 3D, in der HarzenTchen Sammlung
der Kunßhalle zu Hamburg. Das Thier ift in einer eigen-
thümlich ausgreifenden Stellung wiedergegeben, wie {ie an
Darfiellungen des S. Marcus-Löwen zuweilen auffällt. Doch
ift die ungemein forgfaltig, buchfiäblich bis auf 's Haar durch-
geführte Pergamentmalerei offenbar nach einem lebendigen
Löwen gemacht, den Dürer nirgends leichter zu Pcudieren
Gelegenheit fand, als in Venedig. So weit die breiter be-
handelte, etwas verwifchte Umgebung es noch erkennen
läfst, ift das Thier in die Oeffnung einer dunklen Erdhöhlung
verfetzt; vor derfelben ringsum üppiges Grün, theilweife mit
Gold aufgehöht, im Hintergrunde der Ausblick auf die See-
küfle. Es ift dies ficher die frühefte, naturgetreue Abbildung
eines Löwen von der Hand eines nordifchen Künfllers. Das
Beiwerk ift hier Nebenfache [und dient blos zur Bildung
des tiefen Grundes, von welchem das gelbe Fell des Thieres
{ich abhebt.