Volltext: Dürer (Bd. 1)

Venedigs KunR. 
105 
gefetzten Richtungen, die {ich damals noch in der vene- 
tianifchen Malerei kreuzten, zurecht zu finden und irgend 
eine derfelben nachhaltiger auf {ich wirken zu laffen. Hiezu 
wäre Dürer in feinem 2 3ten Jahre allerdings viel empfang- 
licher gewefen als ein Jahrzehnt fpater. Ob {ich aus feiner 
obigen Aeufserung fchliefsen. läfst, dafs er für eine beftimmte 
Richtung Partei ergriffen habe, und was es gewefen fei, das 
ihm damals fo wohl gefallen hat, bei feiner Rückkehr im 
Jahre I 505 aber zu feiner eigenen Ueberrafchung nicht mehr 
gefiel, und 0b dies ausfchliefslich die Mantegneske gewefen 
fei 1), wagen wir in's Einzelne gerade nicht zu entfcheiden; 
die überlieferten Nachrichten {ind doch zu dürftig. So weit 
es indefs der heutige Stand unferer Denkmälerkenntnifs ge- 
ftattet, beantwortet fich die Frage nach der Bedeutung jenes 
merkwürdigen Ausfpruches, wenn wir den Gang der Kunft- 
entwickelung in Venedig mit derjenigen Dürers vergleichen. 
Denn unbewufst und nicht ohne mittelbaren Zufammenhang 
mit der venetianifchen Malerei hatte Dürer in einem Jahrzehnt 
raltlofen Suchens und Lernens inzwifchen aus der Mannig- 
faltigkeit verfchiedenartiger EinFlüffe {ich den Weg zu einer 
einheitlichen Selbftändigkeit gebahnt, ähnlich demjenigen, 
den die venetianifche Schule felbft bis zum Anfange des 
XVI. Jahrhunderts im Grofsen und Ganzen zurückgelegt hatte. 
Wie in {taatlicher Hinficht, fo nahm Venedig auch in 
{einem Kunftleben gegen das übrige Italien eine Sonder- 
{tellung ein. Entfprechend feiner geographifchen Lage und 
feinen Handelsbeziehungen bildet auch die Kunft Venedigs 
ein Mittelglied zwifchen deutfcher Gefühlsweife und füdlichen 
Anfchauungsformen. Spät erft, dann aber plötzlich und 
vielfach unvermittelt drangen Renaiffanceformen hier in die 
Darftellung ein. Um 1450 {teht die Architektur, wie die 
Sculptur Venedigs noch gröfstentheils unter der Herrfchaft 
des gothifchen Gefchmackes; Kirchen und Paläfte werden 
I) Vergl. diefe plauflble Annahme 
bei H. Grimm, Ueber Künftler und 
Kunftw. l. 139. Nur liegt die Frage 
weniger einfach, als diefe Antwort es 
erfordern würde.
	        
Waiting...

Nutzerhinweis

Sehr geehrte Benutzerin, sehr geehrter Benutzer,

aufgrund der aktuellen Entwicklungen in der Webtechnologie, die im Goobi viewer verwendet wird, unterstützt die Software den von Ihnen verwendeten Browser nicht mehr.

Bitte benutzen Sie einen der folgenden Browser, um diese Seite korrekt darstellen zu können.

Vielen Dank für Ihr Verständnis.