104
Wanderfchaft und Landfchaftsmalerei.
böte fich zur Noth noch manche andere Erklärung. Doch thut
ja Dürer in feinem Briefe vom 7. Februar 1506 aus Venedig
feines früheren Aufenthaltes dafelbft ganz ausdrücklich Er-
wähnung. Die Art, wie er Giovanni Bellinis dort gedenkt,
deutet allerdings darauf hin, dafs er denfelben erft damals
kennen, oder doch erft fchätzen gelernt habe. Dann fchreibt
er weiter von ihm: iEr ift fehr alt und ift noch der bePce
in der Malerei; und das Ding, das mir vor eilf Jahren fo
wohl gefallen hat, das gefallt mir jetzt nicht mehr, und
wenn ich's nicht felbft fahe, fo hätte ich's keinem andern
geglaubtr. Ding iPc in Dürers Sprache ein Collectivbegriff
und bedeutet hier, wie an manchen anderen Stellen, die
Arbeiten, Werke, d. i. Kunftwerke 1). Nun, das Gefchmacks-
urtheil, deffen Abänderung er {ich nur auf Grund eigener
Anfchauung zutraut, mufs er (ich doch wohl auch zuvor mit
eigenen Augen gebildet haben; und die Angabe der Zeit,
wann dies gefchah, Ptimmt zur Genüge mit unferen fonftigen
Anhaltspunkten überein. Wenn fich Dürer noch 1494 in
Venedig befand und erwiefenermafsen bereits I5o5 wieder
dahin zurückkehrte, fo durfte er im Allgemeinen den Zeit-
raum, der zwifchen feinen beiden entgegengefetzten Auf-
faffungen lag, auf eilf Jahre anfetzen. Der natürlichfte
Gedankengang läfst hier die Zeit des Gefmnungswechfels
als Termin erfcheinen und nicht das zufällige Datum eines
Briefes, von dem man überdies keine diplomatifch genauen
Daten ewarten wird 2).
Wenn die beiden obenerwähnten Malereien auf Perga-
ment 'vom Jahre 1493 noch auf deutfchem Boden angefertigt
wurden, und Dürer bereits zu Pfingften 1494 heimkehrte,
fo kann er nicht lange in Venedig verweilt haben, jedenfalls
nicht lange genug, um fich in den verfchiedenen, entgegen-
l) Dürers Briefe 6, l 5 und An-
merk. zu 6, 5.
2) Chrifloph Scheurl wufste wohl
vom erilen Aufenthalte Dürers in
Venedig, wenn er I 506 in Lib. de
laud. Germ. von ihm fchreibt: ßQui
quum nuper in Italiam rediisset,
tum a Venetis, tum a Bononiensibus
artificibus, me saepe interprete, con-
salutatus est alter Apellesw