Bildr iffe,
In dem Mafse eben, als fein Stieffohn Wilhelm Pleyden-
wurff heranwuchs und ihm in der Werkftatt zur Seite ftehen
konnte, fcheint eine Entlaftung Wolgemuts von gefchäftlichen
Sorgen eingetreten zu fein. Leider nur war dies Verhältnifs
von kurzer Dauer, fonft würde es uns der Meifter wohl
leichter gemacht haben, das ungehemmte Fortfchreiten feiner
Technik wie feines Stiles zu verfolgen. Am eheften konnten
ihn damals noch Bildniffe zu einer forgfaltigeren Malweife
einladen. Dafs Wolgemut {ich als Porträtmaler erprobte,
können wir aus den Charakterköpfen in feinen Altarwerken
fchon fchliefsen. Auch erwähnt ein ImhofFfches Inventar
von 1573 rein Täfeleiil, Oelfarb, von Wolgemut; ift eine
Frau mit einer alten Bauernhaubea, die I 580 auch als w Stern-
haubex bezeichnet wird 1). Fragen wir nach erhaltenen Bei-
fpielen von Wolgemuts Porträtmalerei, fo möchte ich vor
allem auf ein höchft merkwürdiges Nürnberger Bildnifs hin-
weifen, das in der königl. Galerie zu Caffel unter dem Namen
Burgkmairs aufgeftellt war i). Es zeigt eine Frau mit grofsem
weifsen Geböfche auf dem Kopf in grünem Kleide mit einem
goldenen Gürtel, in der Hand eine Nelke haltend, oben die
Auffchrift: VRSVLA HANS TVCHERIN. Es ift die zweite
Frau des 1491 verftorbenen Hans Tucher, eine geborne
Harfsdörfferin. Der Charakter der Schrift, Tracht und Mal-
weife verbürgen die Echtheit der unter dem Rahmen ver-
fteckten Jahreszahl 1478. Das Datum von Urfulas Vermählung
dürfte darnach zu berichtigen fein, fie ftarb kinderlos I 504
Das Ganze iPc unendlich anziehend und liebenswürdig be-
handelt; die Farbe ift vollkommen unverändert geblieben,
reizend hell, voll Schmelz, faft feiner noch als bei Rogier
van der lIVeyden; der Kopf von der zarteften Modellierung;
die Zeichnung der Hand wunderbar vollendet. Und doch
verräth die gefammte Auffaffung der Formen und die Haltung
1) Springer, Mittheilungen d. Wie-
ner Centralcommifüon V. 3 56,
2) Katalog Nr. I6. Bode, Galerie zu
Caffel, Leipz. l 872 S. 4 als Schongauer.
Thaufing, Dürer.
3) Biedermann, Gefchlechtsregiüer
des Patriziats zu Nürnberg, Bayreuth
1784, Tab. DXI; wo die Vermäh-
lung auf 148! angefetzt iPc.
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