Abschnitt.
Werke
Die
Goldschmiedekunst.
aus dem Grabe des Childerich, jetzt im Louvre-Museum und
in der Nationalbibliothek zu Paris, und die Kronen des west-
gothischen Königs Recceswinthus, gefunden zu Guarrazar bei Toledo,
und gegenwärtig im Cluny-Museum aufbewahrt. Der Schatz des
Merovingers Childerich ("r 481) wurde bei Tournay im ]ahre 165 3
ausgegraben und bestand aus einem Schwert mit Goldverzierungen
am Griff und an den Beschlagteilen der Scheide, aus einem Armband,
einer Fibel, Agraffen, Schnallen, etwa dreihundert goldenen Bienen
als Mantelbesatz und einem Ring, der mit der Inschrift „Childerici regis"
bezeichnet, die Datierung des Fundes ermöglichte. Das Charakteristische
dieser in sehr einfachen Formen gehaltenen Schmuckstücke ist ihre
Belegung mit zugeschnittenen Stückchen roten Glases zwischen Gold-
haltern, die genau die Technik des Cloisonne-Emails wiedergeben. Der
Fund von Guarrazar, 1858 gemacht, umfasste neun Kronen, von
welchen wohl die meisten Votivkronen, einige aber auch zum wirk-
lichen Gebrauch der Westgothenkönige bestimmt waren. Die be-
deutendste, darunter (Fig. 27), besteht aus einem doppelten Gold-
reifen von I0 cm. Höhe und 21 cm. Durchmesser, der sich mit einem
Scharnier öffnet. Die Fläche dieses Ringes ist mit Saphiren und
Perlen besetzt; die Ränder und der übrig bleibende Teil der Fläche
sind mit Goldzellen in einfacher Zeichnung verziert, in Welche rote Edel-
steine eingelassen sind. Von dem untern Rand hängen an kurzen
Kettchen vierundzwanzig in gleicher Weise verzierte Unzialbuchstaben
herab, welche die Worte bilden: "Reccesvinthus rex offeret". An jedem
Buchstaben hängt noch ein Pendeloque von Saphir in Birnenfonn;
aus dem Innern der an vier Goldketten aufzuhängenden Krone hängt
ein Kreuz, ebenfalls mit Perlen und Saphiren besetzt, herab. Recces-
winthus regierte das Westgothenreich in Spanien von 649 bis 672
in einer verhältnismäßig ruhigen Zeit, die in einem seit zweihundert
Jahren andauernden Frieden der Kultivierung des eingewanderten
Volkes besonders günstig war. Labarte glaubt daher auch diese
Kronen trotz ihrer Ähnlichkeit mit der eisernen Krone der Longo-
barden zu Monza für eine einheimisch westgothisch-spanische Arbeit
erklären zu müssen, welche allerdings sich der damals allgemein
herrschenden Stilrichtung des oströmischen Kaiserreichs nicht ent-
ziehen konnte.
Dieser Einiiuss von Byzanz scheint auch für das gesamte Schmuck-
wesen des frühen Mittelalters mafsgebend gewesen zu sein; wenigstens
können wir bis zum I2. Jahrhundert lebhafte Handelsbeziehungen
zwischen Deutschland und Frankreich einerseits und Byzanz ander-
seits verfolgen, die ausnahmslos über Venedig gingen und wahrscheinlich
schon sehr früh in dieser Stadt Nachahmungen der oströmischen
Arbeit durch einheimische Arbeiter, eins der frühesten Beispiele von
Contrefacon, hervorriefen. Besonders lebhaft war dieser Handel zur
Zeit der Karolinger und beschränkte sich nicht allein auf Geschmeide