Abschnitt.
Goldschmiedekunst.
der
Die Werke
Kenntnis des Schmuckwerkes vom II. bis zum I5. Jahrhundert im
wesentlichen aus bildlichen Darstellungen der gleichzeitigen Kostüme
schöpfen, wie sie uns in der Miniatur-, später der Bildnismalerei und
auf den figurierten Grabsteinen dieser Zeit geboten werden.
Für die Gestalt des Geschmeides bei den eingesessenen Völkern
der nördlichen Länder Europas vor der Völkerwanderung geben die
Gräberfunde, wie erwähnt, einen ziemlich sicheren Anhalt. Der
Schmuck war zahlreich, bei Männern und Frauen ziemlich gleich.
Das Material war Silber und Gold, sehr häufig jedoch auch vergoldete
Bronze, die Technik der Tauschierung mit Gold- und Silbereinlagen
in Bronze und Eisen kommt nicht selten zur Anwendung. Von leb-
haften Handelsbeziehungen mit Byzanz geben alle diese Gräberfunde
Zeugnis; zahlreiche derselben legen uns durch die Art ihrer Arbeit
die Annahme nahe, dass im oströmischen Reich derartiger Barbaren-
schmuck für den Export gearbeitet wurde. Über eine neuere Hypothese,
wonach der Einfluss auf die altnordische Goldarbeit nicht von Byzanz,
sondern von den golderzeugenden Ländern an der Nordküste des
Schwarzen Meeres ausgegangen wäre, findet man das Nähere im
folgenden Abschnitt. Am meisten nationales Gepräge tragen noch
die Armringe (Bangen oder Bougen), über deren Einfluss auf den
Schmuck des späteren Römerreichs schon oben gesprochen wurde.
Diese zur Ausrüstung des Kriegers wie zum Schmuck der Frauen
gehörigen, meist spiraligen Ringe dienten ebenso wie die Halsringe
im gegebenen Falle als Münze, indem Stücke des Edelmetalls abge-
brochen und verausgabt wurden. In diesem Sinne rühmen altnordische
Gedichte die Freigiebiglzeit der Helden mit dem Namen „Baugen-
brecher". Weitere Formen des Ringschmucks sind die erwähnten,
oft gedrehten Halsringe (torques), die eng um den Hals schlossen,
und Halsketten, die sich oft mit oströmischen Münzen behangen
finden. Die Kopfringe sind meist nur schmale, zum Zurückhalten
der Haare dienende Reifen, manchmal mit verbreiterter Stirnseite.
Die Fingerringe sind den heutigen ähnlich, nicht selten mit Inschriften
versehen; auch die spiralige Form kommt vor. Verhältnismäfsig grofs
ist die Zahl der Spangen und Nadeln, welche aus dieser Zeit erhalten
sind; ihre Form entspricht meist der altrömischen, mit dem charakteri-
stischen Bügel zur Aufnahme der StoH-Falte. Doch finden sich auch
Erweiterungen der aufliegenden Enden in dreieckiger, halbmond-
förmiger und sonstiger Gestalt, die eine von der antiken abweichende
Ornamentierung zeigen. Diese besteht bei dem altnordischen Ge-
schmeide in jenem merkwürdigen Geflecht von Bändern und Tier-
leibern, welches man geneigt sein könnte, für ein uralt indogerma-
nisclies Ornarnentmotiv zu halten. Besonders häufig findet sich dies
auf den Reifen der schnallenartigen Ringnadeln sowie bei zentral
gebildeten Schmuckscheiben, die als Broschen, Agraffen oder als
Gürtelbesatz aufzufassen sind.