Das
Geschmeide.
werk, untermischt mit Pflanzen, Blumen, Vögeln, Schmetterlingen in
überaus minutiöser Darstellung auf den Rändern der Gebetbücher an-
brachte. Endlich beginnt schon jetzt die hohe Blüte der Bildnis-
malerei in Holland und Italien, die in der Periode der Spätgotik
sowie die ganze Renaissance hindurch uns die schönste Ausbeute
an liebevoll und eingehend gemaltem Schmuckwerk gewährt.
Denn von zwei Seiten, von Norden und Süden, von Flandern
und Italien geht jetzt jene Umwandlung des Kunstgeschmacks vor
Sich, die auch auf das Geschmeide den nachhaltigsten Einfluss üben
Sollte: in durchaus selbständiger Weise entwickelt sich aus dem wieder-
erwachten Studium der Antike der Schmuck der Renaissance. Wenn
jedoch das Geschmeide der antiken Welt vorwiegend plastischen
Charakter hatte, so dient dasjenige des sechzehnten jahrhunderts vor
allem der malerischen Erscheinung des Menschen. Das Element der
Farbe tritt sieghaft in den Vordergrund und giebt dem Renaissance-
schmuck sein eigentliches Gepräge. Zusammenstellung buntfarbiger
Edelsteine, vor allem aber die Kleinplastik in Gold, durchaus polychrorn
in Emailfarben gehalten, bilden das Grundmotiv im Schmuck dieser
Zeit. Die glänzende Lebenslust, welche in jedem Erzeugnis der
Renaissancekunst ihren Ausdruck findet, bemachtigt sich auch des
Schmuckwerkes und bestimmt die Gegenstände der Darstellung. Der
malerische Charakter des Renaissance-Schmucks bewährt sich auch
darin, dass wir die ersten Maler der Zeit als seine Erfinder kennen
lernen: statt aller anderen sei nur an Holbeins englisches Skizzenbuch
erinnert sowie an die grofse Zahl italienischer Künster des I6. jahr-
hunderts, welche in der Lehre der Goldschmiedewerkstatt den Grund
Zu späterem Weltruhme legten. Auch eine grofse Anzahl von Spezial-
zeichnern für Geschmeide hat diese uns relativ nähere Zeit uns er-
halten: überreich an fruchtbaren Motiven sind die Stiche der Klein-
meister, von Aldegrever, Virgil Solis, Daniel Mignot, Wenzel jamnitzer
bis zu Woeiriot, Etienne de Laune, Boyvin, Collaert und Floris.
Mussten wir auch die farbige Wirkung als das unterscheidende
Kennzeichen des Renaissance-Schmuckes betrachten, so treten diese
Rubine, Saphire, Smaragde doch immer nur in den Dienst der Ge-
Samtkomposition, deren höchste Effekte sie bilden, ohne sie jedoch
zu beherrschen. Erst dem Diamanten, der zu dieser Zeit noch eine
Nebenrolle spielt, war es vorbehalten, als Selbstzweck aufzutreten, für
Sich das Schmuckstück zu bilden, dem sich alles andere, Fassung und
etwaige Zuthat anderer Steine, unterzuordnen hatte. Man nennt
Mazarin und die Zeit Ludwigs XIII. von Frankreich als die Ent-
stehungszeit dieser Geschmacksrichtung, die zur völligen Herrschaft.
gelangte, als auf Anregung des genannten Staatsmannes die hollän-
dischen Diamantschleifer den Brillantschliff erfanden. Durchaus ent-
sprechend der Auffassung von der absoluten Königsgewalt, wie sie
Ludwig XIV. ausbildete, war diese enorme Steigerung des Luxus,
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