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Abschnitt.
WVerke
Die
der
Goldschmiedekunst.
schnellen Blick auf den gegenwärtigen Stand dieser Kunst, den der
Leser von diesem Buche erwarten darf, die Überleitung fehlt. Die
Goldschmiedekunst unterlag in dieser Zeit der Napoleonischen Kriege
und der darauf folgenden wirtschaftlichen Erschlaffung dem allge-
meinen Verfall des Kunstgewerbes, der nur selten durch kurze Be-
lebungsversuche unterbrochen wurde. Als einen solchen Versuch
kann man den kurzen Aufschwung unserer Kunst in Berlin bezeichnen,
der sich an den Namen des Hofgoldschmiedes Hossauer knüpfte.
Die Werke, welche von diesem aus Süddeutschland nach Berlin ein-
gewanderten, sehr tüchtigen Goldschmied in ansehnlicher Zahl für
den preufsischen Hof angefertigt wurden, charakterisieren gleichzeitig
die Art, wie man der notleidenden Kunst aufzuhelfen versuchte
ein Weg, den man bis in die jüngste Gegenwart noch nicht ganz hat
verlassen können. Es waren ausschliefslich Architekten, welche dem
Goldschmied die Entwürfe machten; in diesem Falle Schinkel und
seine Schule. In der Vorrede zu dem von der preufsischen Re-
gierung herausgegebenen Werke: "Vorlegeblatter für Fabrikanten und
Handwerker" stellt Beuth dieses Verfahren als das einzig anwendbare
hin und fährt fort: "Der Fabrikant und Handwerker aber soll sich
nicht verleiten lasseu, selbst zu komponieren" wir werden weiterhin
sehen, ob dieses Verbot heute noch Berechtigung besitzt!
Die Arbeiten dieser Berliner Goldschmiedeschule der vierziger
Jahre, an welchen aufser Hossauer auch Wagner, der Begründer der
Firma Sy 8x Wagner", thätig war Taufkannen, Ehrenschilde etc.
trugen den strengen, hellenisierenden Charakter der Schule von Schinkel,
Gust. und Wilh. Stier, Stüler, Strack etc. Die technische Fertigkeit
hat sich den Berliner Gold- und Silberschmieden bis in die Gegen-
wart vererbt; aufser der bereits genannten, noch heute blühenden
Firma Sy 8: Wagner kommen im wesentlichen als Hossauers Nachfolger
die Gebrüder Vollgold in Betracht; eine Konzession an neuere
technische Erfindungen ist die allgemeinere Einführung der Gal-
xianoplastil: in die Goldschmiedekunst. Für die Leitung durch Archi-
tekten und andere Künstler, von welcher sich die Berliner Schule
keineswegs losgemacht hat, sind vor allem die Architekten Kolscher
und Heyden und der Bildhauer Otto Lessing zu nennen. Eine
der bedeutendsten Ausführungen der neueren Zeit war das von preu-
fsischen Städten dem Prinzen Wilhelm dargebrachte Tafelsilber ein
reicher Tafeldekor im Stile des Schlüterschen Barocko, von dem der
weitaus gröfste Teil durch die beiden genannten Berliner Firmen
nach Entwürfen von Ad. Heyden ausgeführt worden ist. Otto Lessing
hat sich in jüngster Zeit mit Erfolg in getriebenen Silberarbeiten mit
reichlicher Emailverwendung versucht.
Mit der Nennung dieses Künstlers haben wir schon in die Epoche
unserer Silberschmiedekunst hineingegriiien, welche als die modernste,
und hoffentlich als diejenige der Zukunft bezeichnet werden darf.