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Abschnitt.
Werke
Die
Goldschmiedckunst.
desselben hat eine konische Grundform der Kuppa, die sich am
untern und obern Rand in (meistens sechs) kugelförmige Knollen
erweitert, die oft in schlanke Züge auslaufend sich in der eingezogenen
Mitte begegnen. Gleiche Knollen pflegen dann am Fufs und Deckel
angebracht zu sein. Die einspringenden Kerben zwischen den Knollen,
die im Mittelalter mit Rollwerk ausgefüllt wurden, erscheinen jetzt
oft mit durchbrochenem Renaissance-Ornament in Guss besetzt, Aufser
dieser gebräuchlichsten Form, deren schönste Ausbildung wir in den
sogen. Agleybechern kennen lemten, kommen dann Varianten mit
kleineren Buckeln, sogen. Traubenbecher vor, bei denen Kuppa und
Deckel ohne bemerkbare Trennung die Gestalt einer Traube annehmen.
Eine weitere Abart sind Becher in Herzforrn, bei welchen die Knollen
sich in prismatische Erhöhungen, wie Edelsteinschnitt verwandelt
haben. Bei der fast unglaublichen Phantasie, welche die Künstler
dieser Zeit in der Erfindung von Gefäfsformen beweisen, muSS darauf
verzichtet werden, auch nur die hauptsächlichsten aufzuführen. Eine
der nordischen und speziell der deutschen Renaissance besonders
eigentümliche Form, die die italienische Kunst nicht kennt, ist der
Henkelkrug ohne F ufs mit glatten, entweder cylindrischen oder
schwach nach oben oder unten eingezogenen Wänden. Er kommt
in allen Proportionen, schlank und gedrungen vor, in Silber getrieben
oder glatt und graviert, in gefasstem Glas, Elfenbein, Nashom und
Narwall.
Besonders schön und dem schweren Gefäfs angemessen weifs
die deutsche Frührenaissance den Henkel zu bilden, indem sie ihm
rechteckigen Querschnitt mit Flachornament auf drei Seiten giebt;
nahe am unteren Ansatz piiegt er durch einen profilierten Ring ab-
geschnürt und von da an in Rankenforrn gehalten zu sein. Be-
merkenswert ist, dass weitaus das meiste von allem Silbergerät der
Tafel, speziell dem Trunke dient. Angesichts der mannigfaltigen
Formen, der zahllosen Trinkspiele muss man wenigstens zugeben, dass
die Deutschen des I6. und I7. Jahrhunderts dies ihr Laster mit
Humor und Kunstsinn auszuüben wussten. Um die Trinkspiele
nicht zu übergehen, so lernten wir ein sehr zier-liches, den im Drehen
zielenden Amor von RösenerQ), bereits kennen. Andere Figuren und
Gruppen, welche auf dem Tische umherfuhren und sich dabei be-
wegten, sind häufig: vor allem beliebt Diana auf der Hirschkuh,
Vulkan am Ambofs u. a. m. Fast immer beweist ein abnehmbarer
Teil, dass das Spielzeug auch, wenn auch nicht ohne Mühe, als
Trinkgeschirr zu benutzen war. Auch die Brautbecher gehören hier-
"her: weibliche Figuren, deren gebauschter Rock den Becher bildet,
heben ein kleineres, in Achsen bewegliches Becherchen über den
Kopf; andere Trinkspiele und Tischfontänen, Figuren, welche aus
ihren Büsten Wein oder Wohlriechendes Wasser ergossen, kleine
Mühlen, die durch Wein getrieben wurden etc, sind hier ebenfalls