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Abschnitt.
Renaissance.
Es ist selbstverstiindlich, dafs, wenn das geistige und kulturelle
Leben der Völker sich hebt oder zurückgeht, die Kunst hierbei stets
ihren Anteil hat und in Mitleidenstthaft gezogen wird. Das zeigt der
Übergang von der antiken Kultur zu derjenigen des Mittelalters
und das zeigt nicht weniger der gewaltige Uiinvalldluiigsprozef:, (lQr
sich auf der Grenzscheide zwischen dem Mittelalter und der Re-
naissanceepoche vollzogen hat. Das Ringen nach Gcistesfreiheit, das
Bestreben, an Stelle einer strengen und beengten Weltanschauung
eine lebensfreudigere und phantasievollere zu setzen, kommt in der
Kunstbethätigung der Renaissance zum lebhaftesten Ausdruck. YVenn
dies nicht auf allen Einzelgebieten der Kunst gleichmälsig geschieht,
so ist der Grund hierfür darin zu suchen, dafs eine Reihe ander-
weitiger, nicht überall gleichartig auftretender Umstände das Gesamt-
resultat des Übergangsprozesses beeinflussen. So kommt es unter
anderem wesentlich in Betracht, ob der Übergang das spezielle Gebiet
auf der Höhe oder im Entwickelungsstadium der Technik erreicht.
Ferner ist es eine längst gemachte Wahrnehmung, dal's die Kleinkünste
ihrer Mutter und Lehrerin, der Architektur nachwachsen, wie die
Kinder den Eltern. Die Kleinkünste zeigen durchschnittlich erst ein
Mensehenalter später die Vorgänge, die in der Baukunst epoche-
machend sind. Die Traditionen des Handwerks erhalten sich hart-
näckiger, als diejenigen der hohen Kunst.
Aus diesen und anderen Gründen treten die Stilwandlungen
nicht plötzlich und gewaltsam, sondern nach und nach in die Er-
scheinung; es findet eine V ermengtmg", ein Durcheinandergreifen, eine
Verquiekung des vorausgegangenen und des nachfolgenden Stiles statt.
Diese Verquickung bringt neben stilistisch bedenklichen Dingen auch
höchst naive und reizvolle Erzeugnisse zu stande, denen jedenfalls
eine gewisse Originalität nicht abzusprechen ist. Das sehen wir be-
sonders, wenn w'ir die Ornamentik des Übergangsstiles von der roma-
nischen zur gotischen Periode betrachten, und wir sehen es in noch
ausgesprochenerem Mafse im Übergangsstil von der Gotik zur Re-
naissance, in der Epoche der Frührenaissance.
Kehren wir nach diesen allgemeinen Betrachtungen zum Gegen-
stand unseres Handbuches zurück, so ist zunitchst festzustellen, dafs
von einem Zurückgreifen auf antike Vorbilder, wie es sich beispiels-
weise in der Architektur und Wandmalerei der Renaissance offenbart
(daher der mit Wiedergeburt gleichbedeutende Name), bezüglich der
Schmiedekunst in unmittelbarer Weise wenigstens nicht die Rede sein
kann, weil eben diese Kunst in der Antike verhältnismafsig wenig
entwickelt war. Dem entsprechend wurde ganz folgerichtig die bereits
hochentwickelte mittelalterliche Technik beibehalten und erweitert;
die eintretende Änderung liegt in erster Linie auf seiten der äufser-