wenn er sonst nur seinen Stoff in voller allgemeiner Wahrheit
wieder zu geben im Stande sei; denn es giebt wohl keine
Kunst, deren oberstes Princip nicht allgemeine Wahrheit
sein müsste, am allerwenigsten aber eine Kunstrichtung, die,
wie die Sittenmalerei, einzig und allein in der wahrheit-
getreuesten, lebenvollsten Darstellung ihre Hauptaufgabe zu
suchen hat, und sich mithin von der ohne Frage ästhetisch
weit höher stehenden Historienmalerei eben dadurch
unterscheidet, dass sienicht wie diese die grossen T11 at-
sachen im Lichte einer höheren Idee darstellt,
sondern das Leben einzig und allein von der Seite erfasst, die
für die malerische Darstellung habitueller und sittenbildlicher
Zustände von besonderem Interesse ist.
Die GenremaleIrei hat, wie eine jede Kunst, eine
höchst sittliche Mission und, in Rücksicht ihrer Aufgabe
als Kunstrichtung, eine oberste und unterste Grenze. Sie zu
unterscheiden und zu erkennen, erfordert nicht nur einen
feinen, scharf beobachtenden Sinn, sondern auch einen ge-
wissen ästhetischen Takt, namentlich für die unterste Grenze
dieses weitgehenden Kunstgebiet.
Trotzdem ist der Genremaler eine geraume Zeit lang als
Künstler von den übrigen Kunstgenossen nicht sonderlich ge-
achtet und die Sittenxrialerei überhaupt als eine Kunst angesehen
worden, die ja nur auf die Strasse zu gehen brauche, um sich
auf die billigste Art" ihre Motive zusammenzuholen. Einer
solchen unverständigen Ansicht gegenüber bleibt es zum
mindesten begreiflich, warum das Genre zumeist nicht über
das rein Aeusserliche hinauskam, das ganze Studium auf ein
Haschen nach Effecten und betrügerischer Technik hinauslief,
und, anstatt sich zur Höhe des künstlerischen Gedankens zu
erheben, auf die niedere Stufe der Künstelei herabsank. Sie
wurden Copisten, wie ihnen Cornelius nicht mit Unrecht
vorwirft, die den „sinnlichen Schein der rohen Materie" als
die von ihnen gepriesene "Naturwahrheit" dem grossen Haufen