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das heimische Element stark betonten und auf diese Weise
das Genre zu dem machten, was es in der Hauptsache durch-
aus sein soll: eine Sittengeschichte in Bildern.
Ganz dasselbe hat auch die französische und nieder-
ländische Schule gethan; denn wenn uns die eine in die nieder-
ländischen Schenken und Dörfer führt, uns in die Gemächer
der reichen Kaufherren einen Blick thun und die prachtvollsten
Garderoben schöner Holländerinnen bewundern lässt, oder
uns den Hafen und Marktplatz mit den hohen Giebelhäusern
handelnder Städter zeigt und in allem, gleichviel 0b sie es
mit losychologischer Tiefe oder geistloser Auffassung thut,
doch den Charakter ihrer Zeit abspiegelt, weiss uns die fran-
zösische Schule sehr wohl das gespreizte Wesen des 16. und
17. Jahrhunderts vor die Augen zu führen. Die rohe Sinn-
lichkeit und Lebenslust, wie sie so gern die niederländi-
schen Genremaler im Bilde festhalten, muss einem planen
Schönthun weichen, der ungenirte , lebensfrohe Volkstanz wird
vom trippelnden, vornehm steifen Contretanz in Thurrnfrisur
und Reifrock verdrängt und Galanteriedegen und Schnallen-
schuh mit all ihren Consequenzen haben dem derben, aber natür-
lich fühlenden Mann im Reitcollet und der Sturmhaube den
Vorrang abgelaufen. Kurzum, in allem, was uns der Künstler
der französischen Schule brachte, ist auch er nicht aus dem
Kreise seiner Zeit herausgetreten, so dass eben in dieser Hin-
sicht sowohl die niederländische wie französische
Schule als Repräsentanten einer sittenbildlichen Kunst unter
allen Umständen für uns von Wichtigkeit bleiben.
Aber wie gesagt, es ist dieses nur Eine Seite des Genre,
allerdings in sittenbildlicher Beziehung die ungleich wichtigste,
und wenn Ru te nber g es mit Recht tadelt, dass die neuere
deutsche Schule in Düsseldorf eine Zeit lang so gern und fast
ausschliesslich in die Romantik des Mittelalters zurückgriß imd
„jene zahllosen Ritter- und Räuberbilder, deren weibliches Ele-
ment des Goldschmieds Töchterlein und mittelalterlichen Gret-