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gen gewählt habe. Gerade das Letztere ist der schwache Punkt
der Niederländer, deren ganze Kunst oft nur in einer sauberen,
aber eben darum den Laien so leicht bestechlichen Technik be-
steht. Nur da, wo der rohe Naturalismus (Ostade) in' der
Kunst zur Anschauung gelangte und das moralische Verhalten
des gewöhnlichen Volkes zeichnete, sind die Niederländer Re-
präsentanten einer sittenbildlichen Kunst im wahrsten Sinne
des Wortes.
Zum Glücke ist die Genremalerei aber endlich doch sowohl
über die rohe Lebenslust der Niederländer, als über den
"reflectirten und raffinirten Epikuräismus der Hofgesellschaf-
ten" Ludwig XIV. hinweggekommen, und wenn es auch dem
einen oder anderen Künstler der Neuzeit gefallen hat, galante
Hofcavaliere und elegante Staatsdamen in Reifröcken und mit
gepudertenFrisuren zum Vorwurf seiner Kunst zu machen,
so ist doch die Manier des rein Aeusserlichen aufgegeben und
die Darstellung solcher Sujets eine clurchdachtere, geistig be-
deutsamere geworden. Sowohl die niederländische, wie fran-
zösische Schule hat ihre grosse Berechtigung und ist auch von
so eminent sittengeschichtlicher Bedeutung, dass wir sie leider
nicht entbehren können , wenn wir dem Genre überhaupt eine
sittengeschichtliche Mission vindiciren wollen. Denn beide sind
nicht aus dem Kreise des Heimathlichen herausgetreten
und haben auch sonst für die technische Entwickelung dieses
Zweiges der Malerei so beachtenswerthe Fingerzeige gegeben,
dass wir sie mit all ihren Mängeln dennoch als höchst wichtige
Vorläufer unserer 'von Düsseldorf und München ausgehenden
neuen deutschen Schule der Genremalerei anzusehen haben.
Beide Schulen stehen aber nicht allein deswegen auf einem
höheren Standpunkte, weil sie mit Hasenclever solche
Darstellungen wählten, an denen sie ihre „geistreichen psy-
chologischen Studien und Beobachtungen" verwerthen konnten,
sondern vorzugsweise dadurch, dass sie sich auf den rein
nationalen Standpunkt stellten, narh allen Richtungen hin