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halb einer absolut schönen Kunst liegt. Aus diesem Grunde
können wir uns auch nicht mit jener ästhetischen Empündelei
einverstanden erklären, nach welcher man Alles aus der Kunst
verbannt haben will, das irgendwie die weniger erhebenden
Seiten der Wirklichkeit bloslegt. Wenn ich auch gern zugebe,
dass sich das sittliche Gefühl verletzt fühlen muss, wenn der
Künstler uns einen Blick in die Nachtseiten des Lebens thun
lässt und, wie das der sonst talentvolle Katzen stein gethan
hat, uns in eine ärmliche Stube führt, in welcher ein eben
vom Maskenball heimgekehrtes junges Mädchen nun untröst-
lieh am Bette der inzwischen gestorbenen Mutter kniet. Der
Contrast ist furchtbar und tief ergreifend. Wir sind gewiss
Alle empört über den Leichtsinn der vergnügungssüchtigen
und an der längeren Krankheit ihrer Mutter wenig theilneh-
menden Tochter; allein wir fühlen auch, dass der Künstler mit
diesem Steife einen Griff gethan habe, der keineswegs das Le-
ben nur in seiner Oberfiächlichkeit berührt.
Solche Darstellungen können und dürfen wir weder ver-
dammen noch unästhetisch finden; denn wenn die Sittenbild-
malerei eben nicht nur von der Oberfläche des Lebens schöpfen,
sondern das ganze Leben in Wahrheit umfassen und abspiegeln
soll, so kann sie auch nicht blos die heitere Seite bringen.
Sie hat es leider zu viel gethan und eben dadurch zu dem Glau-
ben verleitet, als sei nur diese Seite zu geben ihre alleinige
Aufgabe.
Nicht minder falsch ist es, wenn man von ihr nur die
Darstellungen des Volkslebens verlangt und es als eine ver-
fehlte Idee bezeichnen hört, wenn sie auch einen Blick in die
Salons der vornehmen Welt werfe und Zustände darstelle, die
der täglichen und allgemeinen Beobachtung fern liegen müssen.
Es ist nicht wahr, was der geistreiche Rutenberg von der
Genremalerei sagt, wenn er den Mikrokosrnos die Heimath der
Genremalerei insofern nennt, als er von ihr behauptet, sie
habe es nur mit der Wiedergabe des kleinbürgerlichen Lebens.