Aufgabe zugleich auch eine höchst sittliche Mission zu
erfüllen, so versteht es sich ja schon von selbst, dass sie die Ma-
terie als blosse Erscheinung künstlerischer oder auch viel-
leicht nur künstlicher Technik nicht zur Hauptsache ihres
iSchaEens machen kann. Denn aus dem Leben gleichsam her-
ausgewachsen, und auch auf dasselbe immer wieder zurück-
führend, muss sie ihr ganzes Gewicht auf jene Wahrheit legen,
die für die Vollkommenheit der grundlegenden Idee ndthwen-
dig ist. Dass das Verhältniss nur zu häuüg ein völlig umge-
kehrtes ist, kann von keiner Seite bestritten werden, und wenn
bis zur Stunde die Genremalerei diesen Standpunkt wirklich
noch nicht überwunden haben sollte, so liegt dieses wohl weni-
ger in dem guten Willen der Künstler, als vielmehr in der
alten Ansicht, nach welcher die durch die Kunst bewirkte Täu-
schung ebcn nur durch eine vollendete Darstellung der Natur-
objecte möglich sei. Noch heute spricht man voller Bewun-
derung von dem Vorh ange des Zeuxis und der Kuh des
Myron, welche bekanntlich so natürlich gemalt gewesen sein
sollen, dass sich Menschen und Thiere täuschen liessen, und
Wer auch sonst nur Ohren hat, um zu hören, der wird gewiss
wohl öfter in den Gemäldegalerien die allerdings nicht ange-
nehme Bemerkung gemacht haben, dass die meisten Ausrufe
der Bewunderung der Naturwahrheit de s Objects gelten,
während die Idee der Darstellung dabei so viel wie gar nicht
in Betracht kommt.
Gerade das Letzte ist den Gegnern der Genremalerei
eine bequeme und billige Handhabe Fgewesen, ohne dabei an
die grossen Vortheile zu denken, die der Historienmalerei
eben nur durch das Streben der Genremalerei nach Lebens-
und Naturwahrheit zu Gute gekommen sind; denn eben diese
ist es ja ganz allein gewesen, die der entdeckenden und bahn-
öffnenden Wissenschaft sowohl in anthropologischer als in
culturgesehichtlicher Hinsicht auf dem Fusse gefolgt ist, falsche
Vorstellungen über diese oder jene bildlichen Formen besei-