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Viertes
Buch.
streng klassischen Richtung den Weg zu einer edlen, innig empfundenen
Darstellung christlicher Stoffe, (Madonna, Ansgarins) aber auch allge-
meiner poetischer Figuren, wie Mignon, der Violinspieler u. A. gefunden
hat; ferner der frühverstorbene Rudolf Scharlorv, der überaus thätige
laönil Wolf, der Holländer Matthias [Kessels (1784 1838) u. A. m.
rnissu
lstik.
Werfen wir schliesslich einen Rückblick über den zuletzt verflosse-
nen Zeitraum, so drängt sich uns die erfreuliche Thatsache auf, dass
die Bildnerei seit dem Auftreten Canovaß bis auf diesen Tag in stetigem
Fortschreiten sich bewegt hat. Vergleicht man vollends ihre Leistungen
mit den gleichzeitigen ihrer populareren Sehwcsterkilnst, der Malerei, so
wird kaum bezweifelt werden können, dass wir wieder in einer jener
Epochen stehen, wo die Plastik der Malerei um einen merklichen Schritt
vorangeeilt ist. Denn trotzdem, dass die grössere Masse des Schaffens
und die bedeutenderen Aufträge der letzteren zufallen, hat sie es kaum zu
so vollkommenen, mustergültigen Lösungen ihrer höchsten Aufgaben
bringen können, wie die Bildnerei deren eine ganze Reihe aufzuweisen
hat, und leidet vielfach noch theils an einem Uebermaass des Naturalisti-
sehen, theils an einem Mangel gediegener technischer Durchbiltlungz
Daher kommt es denn, dass die nothwendige Voraussetzung alles künst-
lerischen Schaffens, die Meisterschaft im Technischen, von der einen
Seite für überflüssig, wohl gar für unwürdig, von der anderen bereits
für eine künstlerische Leistung an sich betrachtet wird. Bei der Plastik
versteht sich dagegen von selbst, was bei der Malerei vielfach noch einen
Gegenstand seltsamen Streites ausmacht. Und in diesem Sinne kann
man sagen, es sei ein Glück für die Bildnerei, dass sie nicht die all-
beliebte Modekunst des 'I'ages ist. Was sie trotzdem an allgemeiner
Gunst zu erringen wusste, hat sie der widerstrebenden Zeit abgerimgen.
Denn wir dürfen hier nicht "unterlassen daran zu erinnern, dass auch in
anderen Beziehungen die Plastik heutigen Tages nicht auf Rosen gebettet
ist. Wie leicht wurde es dem griechischen Bildhauer gemacht, lseine
Phantasie mit den reinsten Formen zu füllen; selbst gegen seinen Willen
hätte er nicht umhin gekonnt eine Reihe von vollendet schönen, har-
monischen Bildern in sich aufzunehmen! Auch der Bildhauer des 13. Jahr-
hunderts war darin glücklich gestellt, und selbst die Meister des 15. und
'16. Jahrhunderts konnten aus ihrer Umgebung wenigstens charaktervolle,
lebensfrische Eindrücke empfangen. Wie steht es mit den heutigen
Künstlern! Selbst wenn die gesammte äussere Erscheinung unserer Zeit,
wenn unser Kostüm nicht ebenso unnatürlich als abgesehmackt wäre,