Fünftes Kapitel.
Die Bildnerei seit Canova.
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ist Gibson, der in Rom lebt und streng genommen der dortigen Schule an-
zureihen wäre. In der Portraitplastik wird Evtnpois Chanlrey (T 1839)
vorzüglich geschätzt. Von den übrigen namhaften Bildhauern mögen
R. Wyaft, Macdomell, Macdonald, Canzjabell, die beiden Weslmacotl und
Marsleall genannt werden.
Mehr als anderswo zehrt in Italien die gesammte bildende Kunst
von der Vergangenheit, von deren Grösse sie sich sichtlich niedergedrüekt
fühlt. Bis jetzt haben die Schicksale des namenlos gesegneten und
namenlos unglücklichen Landes jeden frischeren Aufschwung des künst-
lerischen Lebens unmöglich gemacht. Erst wenn seine politische Wieder-
geburt in Wahrheit gelingt, lassen sich auch für die Kunst neue Blüthen er-
warten. Ueber das von Ganova Geleistete hat sich die Plastik nicht
wesentlich emporgeschwungen. Wohl findet jene höhere kensche Läuterung
der Form, wie sie durch 'I"horwaldsen eingeführt wurde, in Tenerani einen
würdigen Vertreter, allein auch hier kommt man nicht über den Eindruck
einer in edlem Styl durchgeführten, mit meisterlicher 'I'ee.hnik vorgetragenen
conventionellen Auffassung hinaus. Diese Vollendung der hiarmortechnilt
aber, die durch Jahrhunderte in ununterbrochenerTradition dort heimisch
ist und eine Menge der in den übrigen Ländern entworfenen Werke in
die ausführende Hand italienischer Bildhauer bringt, bestimmt über-
wiegend den Charakter der dortigen Schöpfungen. Denn nicht selten
macht sich die Virtuosität in jenen auch früher geübten durchsichtigen
Verschleierungen breit wie in der "Vestalin" des Mailanders Monli.
Andere suchen, wie Fraccaroli in seinem vom Pfeile getroffenen Achill
die herkömmlich antikisirende Auffassung (lurch den jähen Ausdruck von
Leidenschaft zu beleben, oder jenem Stoffgebiete, nach dem gelegent-
lichen Vorgange Canova's, Momente von drastischer Wirkung abzugewinnen
wie der Florentiner Barlolini in seinem Pyrrhus, der den Astyanax über
die Mauern 'I'r0ja's schleudert. Werke anmuthigeren Inhalts kennen wir
von (Yarlo Fmelli aus Carrara, von ßfagni, Dame", Bienaimä u. A.
Der römischen, durch Canova und Thorwaldsen ausgebildeten Schule
gehört endlich eine Anzahl von Plastikern der verschiedenen Nationen":
an, die dort ihre zweite Heimath gefunden und imiFesthalten am strengen
Idealismus, an den von der Antike vorgeschriebenen Gesetzen ihr gemein-
sames Erkennungszeichen haben. Von dem Engländer Gibson, der hieher
gehört, war schon die Rede. Unter den Deutschen ist wohl der be-
deutendste zllarlin "Wagner (geb. 1773) aus Baiern, der im Auftrage
König Ludwigs die plastische Austattung des Siegesthores zu München
und den grossen Fries der Völkerwanderung für die Walhalla geschaffen
hat. Sodann der sinnige Karl Stcinlziiztser aus Bremen, welcher aus der
Römische
Schule.