inftes Kapitel.
Die Bila
ncrei seit Canova.
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falten zu lassen. Mit der rechten Hand an den Flügelschuh des rechten
Fusses greifend, den er auf einen Baumstamm gesetzt hat, schwingt er in
der Linken hoch seinen Stab. Dieselbe Frische des Ausdrucks, nur viel-
leicht noch naiver und liebenswürdigcr, spricht aus der ebendort befind-
lichen lllarmorstatue eines jungen neapolitanischcn Fischers, der mit einer
Schildkröte spielt. Trctflich in der Intention ist auch das Marinorbild
der Jungfrau von Orleans im Garten des Luxembourg: aufhorchend
scheint sie eben den überirdischen Ruf zu vernehmen, der ihre Bestimmung
ihr anzeigt. Nur vielleicht ist die Bewegung etwas zu gewaltsam ent-
wickelt. Ins unschön Uebertriebene fällt aber auch dieser tüchtige Meister
beim ehernen Standbilde des Marschalls Ney, welches am Ausgang des
Luxembourg-Gartens aufgestellt ist. Hier entgeht er so wenig, wie die
meisten seiner Landsleute, dem unvermeidlichen lIange zum Forcirten,
der den Franzosen eine würdcvolle Monumentalplastik historischer Art so
schwer macht. Noch viel unglücklicher ist Bude in dem Hochrelief am
Arc de l'Et0ile, worin er den Ausmarsch der Franzosen im J. 1792 zur
Verthcidigung der Republik schildert. Abgesehen von dem wirr Gedräng-
ten der Anlage ist die massive, über der feurig belebten llläinnergruppe)
schwebende Bcllona mit hässlich zum Schreien aufgerissenem Munde, trotz
ihres grossen Flügelpaares heftig ausschrcitend dargestellt, so (lass sie
völlig wie ein gespreizt auf zwei Pferden stehender Kunstreitcr erscheint.
Endlich hat Rude an dem Denkmal des Publizisten Godefroy Cavagnac
(1847) auf dem Montmartre-Kirchhof in der ausgestreckt daliegcnden
Erzfigur des Entschlafenen einen Schritt ins extrem-naturalistische Gebiet
gethan, zu welchem die Sitte der älteren französichen Grabmaler ihn wohl
verleitete. In herber Wahrheit liegt die Leiche da, der Kopf mit struppig
wildem Bart starr zurückgeworfen, die Arme und Hände steif ausgestreckt,
Hals, Brust und Schulter nackt. Den übrigen Körper bedeckt das trefflich
in grossen Massen angeordnete Leichcntuch. Die Ausführung ist, wie
immer bei Rude's Werken, höchst gediegen.
Noch unmittelbarer, frischer und anziehender bewegt sich Franpois Duret.
Joseph Duret im Gebiet einer idealen Naturauffassung. Sein neapolitani-
scher Fischer, der die Tarautella tanzt (1833), jetzt im Luxembourg, ist
ein Meisterstück fein und glücklich (im-gestellter momentaner Bewegung,
der Körper in jugendlicher Elastizität .und in zarten Formen durchgebil-
det, auch als vollendete Leistung des Erzgusses bewundcrnswerth. Nicht
minder vorzüglich ebcndort der improvisirende Winzer (1839). Aus {Ändere
der grossen Zahl der übrigen Plastiker dieser Richtung erwähne ich noch Miiviliiitelep
Franpois Joufroy mit der anmuthigcn Statue eines jungen Mädchens, nimmt";
das der Venus ihr erstes Geheimniss mittheilt (1839); die Schüler Pra-