Volltext: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

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Viertes 
Buch. 
Umschwung 
der Kunst. 
Studium der 
Antike. 
solcher neuen Befruchtung hervorbraehte, das braucht nur angedeutet zu 
werden. Von Göthe's Götz (1773) und Werther (1774), von Schillers 
Räubern (1777) bis zur Iphigenia (1786) und zu Schillers Meisterdramen 
durchläuft sie in staunenswerth kurzer Zeitfrist alle Stadien von wilder 
Gahrung bis zu klassischer Vollendung. 
Es genügt, an alles dies zu erinnern, um darauf hinzuweisen, wie 
die Neubelebung der Kunst gegen Ende des vorigen Jahrhunderts mit 
der Umgestaltung des ganzen Zustandes Europas zusammenhängt. 
Wie wichtig Ivor allen Dingen die trotz ihrer furchtbaren Auswüchse 
ewig glorreiche französische Revolution auch für die Kunst geworden ist, 
darf nicht verschwiegen werden. War doch alles künstlerische Schaffen 
zuletzt nur noch auf eine schmeichlerische Vergötterung irdischer Macht 
hinausgelaufen. In diesem unwürdigen Sklavendicnste war die Kunst zu 
einem gedankenlosen Virtuosenthum herabgesunken. Sie hatte keine 
höchsten Ideen mehr darzustellen; selbst die „ Tugenden " waren ihr 
zuletzt fast abhanden gekommen, und eine seelenloseSchaar von Schemen 
wie „ Ruhm und Ehre, " begleitet von koketten „ Genien" war die dürf- 
tige allegorische Zukost, mit der sie ihre'Helden und Ilalbgötter scl1mack- 
haft zu machen suchte. Die Revolution setzte dieser eitlen Selbstver- 
götterung ein Ende. Sie brachte wieder den Gedanken in die Welt, dass 
die Völker Alles sind und die Dynastieen Nichts, wenn sie nicht vom 
Volksgeiste getragen werden. Seitdem kann die Kunst wieder Ideen dar- 
stellen, kann wieder wie im Mittelalter und zur Zeit der Griechen den 
höchsten sittlichen und religiösen, den nationalen und geschichtlichen An- 
schauungen der Völkc-rr zum Ausdruck verhelfen. 
Für die Plastik i") bedurfte es aber vor Allem einer neuen tieferen 
Auffassung der Antike, um zur ersten Voraussetzung gesunden Schaffens, 
zu einer Läuterung der Form zu gelangen. Dafür ist Winckelmanns Auf- 
treten der epochemachende Wendepunkt. Zweimal schon, zur Zeit Nicola 
Pisanois und in den Tagen Lorenzo Ghibertfs, war die antike Kmist das 
läuternde, kräftigende Stahlbad für die Plastik geworden. Ein Jahrhundert 
später hatten dann Meister wie Andrea Sansovino und Michelangelo die 
Bildnerei, die wieder zu entarten drohte, auf die Bahnen der antiken Ein- 
fachheit und Schönheit zurückgeführt. Im Norden waren die Meister des 
13. Jahrhunderts in einem richtigen künstlerischen Instinkt von ganz an- 
drer Seite aus auf eine der Antike trotz aller Verschiedenheit doch analoge 
ideale Läuterung des Styles gekommen, und im Anfang des 16. J ahrhun- 
 Eine reiche Uebersicht der Leistungen moderner Plastik in den 
der Kunst  F01. Stuttgart. Ebnet 8a Seubert. 
Denkmälern
	        
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