Viertes Kapitel.
Die Bildnerei von
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des Louvre besitzt von seiner Hand eine ausgezeichnet geistvolle Bronze-
büste Rousseaus und die Erzstatue einer ganz nackten Diana, von treff-
licher Durchführung, fein und leicht, wenn auch mehr im Charakter einer
Venus. In der Revolution wurde der Künstler angeklagt, weil er ein
altes Bild der h. Scholastiea in seinen Mussestunden überarbeitet hatte,
und nur
Leben.
ihre
Umwandlung
eine
Statue
Philosophie
der
rettete
sein
In Frankreich ist
die Plastik dieser Zeit weltlicher als in Italien.
Ihre Aufgaben bewegen sich um die Verherrlichung der Fürsten und
des prachtliebenden Hofes. Aber eben desshalb genügt sie in den
meisten Fällen weit mehr, weil die religiöse Stimmung in dieser Zeit
doch einmal voll Unwahrheit war. Allerdings lag für die Bildnerei hier
eine andre Gefahr nahe: im Sinne ihres Gebieters, Ludwigs XIV., des
„grosscn Königs", in einen renommistischen Apotheosenstyl zu verfallen.
Wie man es ihm am besten recht machen konnte, beweist seine Marmor-
büste von Bernini im Museum zu Versailles (Galerie 96 des ersten Stocks
N0. 1889): ganz 'I'heaterhalbgott, hochnasig, kalt und perückenumwölkt,
die Karikatur eines Jupiter! Derselbe incarnirte Despot, der die schlichte
Wahrheit niederländischer Genrebilder mit dem bezeichnenden Ausspruch
von sich wies: "qu'on m'ote ces magots-la", musste wohl von der Kunst
das hohle theatralische Pathos verlangen, das sein ganzes Wesen aus-
macht und das sein Lieblingsmaler Lebrun so meisterlich verstand.
Auch die Plastik bleibt nicht frei von diesem pathetisch Aufgedon-
nerten; aber im Ganzen weiss sie sich doch viel Gediegenheit und Ernst
der Auiiassmig zu erhalten, der vor Allem in ihren Bildnissdarstellungen
zur Erscheinung kommt. Zwar hielt die Zeittraeht mit ihren Perücken,
Reifröcken und dem ganzen aufgebauschten Wesen ihr manche Klippe
entgegen, die sie auch durch Aufnahme des römischen Kostüme und naive
Verbindung desselben mit der Allongeperücke nicht gänzlich umschitfte.
Dennoch wetteifert sie, innerhalb gewisser Gränzen, in Feinheit der Auf-
fassung mit den Bildnissen eines Mignard und Rigaud, die freilich selbst
aus dem, was der Sculptur Nachtheil brachte, dem üppigen Zeitkostüm,
für sich Vortheile zu ziehen wussten.
Von einem der älteren Künstler, die den Uebergang zu dieser Epoche
bilden, Simon Guillain (1581 -l658), besitzt die Sammlung des Louvre
drei tüchtig gearbeitete Erzbilder des zehnjährigen Ludwig XIV. und seiner
Aeltern, die von dem im J. 1648 errichteten Pont au Change stammen.
Von demselben Denkmal rührt ebendort das Steinrelief mit Gefangenen
und Trophäen, etwas überfüllt, aber in klarer Anordnung und tredlicher
Auffassung. Es ist noch ein schöner Nachklang der guten Zeit. Auch
Plastik
Frankrei
Simon
Guillairl
Liibke,
Gesch.
der Plastik.