Volltext: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

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Viertes 
charakteristischem Ausdruck. Zu den vorzügliehsten Schöpfungen der 
Zeit, voll Adel, Sehönheitsgefühl und Leben, zählt das Denkmal 
Ludwigs IV. und Mechthildis, der Eltern Eberhards im Bart. Der Graf 
liegt in edler Ruhe da, in voller Rüstung; seine Gemaliu nimmt mit der 
einen Hand den Mantel auf, dass er in herrlichem Faltenwurf niederwallt, 
während die andere Hand sanft auf der Brust ruht. Das prachtvollste und 
grösste dieser Denkmale, ganz aus weissem Marmor gearbeitet, ist aber 
jenes von Ludwig dem Frommen, Herzog Christophs jüngerem Sohne 
(T 1593). Der Sarkophag ist mit Atlanten, bewegten Figuren, üppigem 
Ornamentwerk und äusserst pathetischen und theatralischen Reliefs ge- 
schmückt, Heldenthatexi aus dem alten Testament und das jüngste Gericht 
darstellend. Darüber kleinere Seenen der Erschaffung Adams und Eva's, 
des Sündenfalls und der Vertreibung aus dem Paradiese, miniaturartig 
fein wie Elfenbeinschnitzereien. Die Gestalt des Verstorbenen ist würdig; 
die Engel dagegen, sammt den sechs Königsgestalten, die ihn umgeben 
und selbst der Hirsch zu seinen Füssen steif und ohne Verhältniss. Fast 
ebenso reich und ähnlich angeordnet .ist das Grabmal seiner Gemalin 
Dorothee, Ursula (T 1583), nur dass hier in der leblosen Reifrockfigur 
die Mode über Schönheit und Natur einen völligen Sieg davonträgt, 
während der Kopf ausdrucksvoll edel und die Hände fein in den Formen 
sind. Oonventionelle Figuren der Kardinaltugenden sitzen zu ihren Füssen; 
die zierlichen Marmorreliefs des Sarkophags sind zum Theil sehr pathetisch, 
zum Theil von würdig einfachem Styl. Merkwürdig, dass hier die christ- 
liche Symbolik noch einmal in der Zusammenstellung beziehungsreieher 
Sccncn des alten und des neuen Testamentcs auftaucht. Man sieht 
Christus und die Sehächer am Kreuz, die Kreuzabnahme, Grablegung, 
Auferstehung; dagegen Moses und die Gebeine der ersehlagenen Israe- 
liten, die eherne Schlange, und den vom Wallfisch ausgespieenen 
J onas.  
Den klnale zu 
Mühlhausen. 
So erlebt in dieser späten Zeit noch die schwäbische Plastik eine 
nicht verächtliche Naehblüthe, von Welcher auch an anderen Orten manche 
Spuren sich erhalten haben. Ich nenne nur in der Kapelle zu Mühl- 
hausen am Neckar zwei Denkmale; zuerst den Grabstein Jakobs von 
Kaltenthal (T 1555), der das etwas steifc, aber doch im Ausdruck des 
Kopfes lebendige, auf einem Löwen stehende Bildniss des Ritters zeigt. 
Sodann vom Jahre 1586 das Monument Engelholts von Kaltenthal und 
seiner Frau; Beide vor einem Kruzifix knieend, in schöner Empfindung, 
die Dame mit halbverhülltem Antlitz niederblickend, ihr stattlicher Genial 
vertrauensvoll aufsehauend. Hier mag denn auch aus etwas früherer Zeit 
(1534) ein ausgezeichnet edler Grabstein mit geistvoll aufgefasstem Brust-
	        
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