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Viertes Buch.
wollen. Dem widerspricht aber die Inschrift, welche besagt, dass die
Charitinnen mit Recht dies Herz, ihren ehemaligen Sitz, auf dem Haupte
trügen. Ein zweites Distichon behauptet nicht minder wahrheitsliebend,
dass die Königin dies Herz lieber in ihrem Busen bergen möchte. Mit
demselben Rechte sagt Diana von Poitiers auf dem oben besprochenen
Grabe ihres Gemals: "wie früher unzertrennliche und treueste Gattin im
Ehebett, werde sie's dereinst auch im Grabe ihm sein." Für solche monu-
mentale Dreistigkeiten War die lateinische Sprache eine tretfliche Aus-
kunft. Wie sollte aber bei derartiger Verlogenheit die Kunst acht und
wahrhaft bleiben?
A nderes im
Louvre.
Gralnual
Heinrichs H.
Ausserdem besitzt die Sammlung des Louvre eine Anzahl von ein-
zelnen Arbeiten dieses fruchtbaren und vielseitigen Künstlers. Die über-
schlanken Holziignren der vier Kardinaltugenden, welche ehemals in
S. Genevieve den Reliquienkasten der Heiligen trugen, sind bei grosser
Zierlichkeit nicht ohne Willkür in den Gewändern und haben manierirte
Köpfe. Dagegen gehört zu seinen treiflichsteu Arbeiten das Bronzerelief
des von den Seinigen betraucrtcn todten Christus, das bei ziemlich starker
Ausladung durch klare Anordnung, maassvoll edlen Styl und ergreifenden
Ausdruck hervorragt. lllaiiierirter sind ebendort die Steinrelicfs von vier
Tugenden mit den Marterinstrumenten, welche von einer Kanzel der ehe-
maligen Angustinerkirehe stammen. XVeiter schreibt man ihm dort die
Ueberreste vom Denkmal des Kanzlers Rene de Birague und seiner Ge-
malin zu, Welches 1574 errichtet wurde. Die Dame ist nicht mehr im
Gebet, sondern iu nachlitssigcrLage lesend dargestellt; auch das Schooss-
hündchen darf nicht fehlen, um die Boudoirstinnnung zu. vollenden. Hier
macht sich denn auch das bauschige Reifrock-Uiiiveseii breit, als Feind
jeder plastischen Entfaltung der Formen. Aber auch jetzt noch liebt man
es, gegenüber solchem genrehaften Lebensbilde den Kontrast des Todes
in ungemilderter Schroifheit hervorzuheben. Der nackte, nur halb vom
Leichentuch verhüllte Leichnam der Verstorbenen, skeletartig abgemagert,
das lange Haar wirr und aufgelöst, ist von einer fürchterlichen Wahrheit,
die dmch die Meisterschaft der Durchführung nur noch erschütternder
wirkt. Dass übrigens das Bildniss jetzt die starke Seite der Plastik
bleibt, sieht man ebendort an der Marmorbüste eines Kindes, vielleicht
Heinrich III., das mit seinem unschuldigen Lacheln ganz naiv und liebens-
"würdig aufgefasst ist. Nicht minder trefflich ebendort die Alabaster-
büstcn Heinrichs II. und Karls IX.
Das Hauptwerk Pilons ist das Grabmal Heinrichs II. und der Katha-
rina von Medici, welches letztere nach dem Tode ihres Gemals in der
Kirche z S. Denis errichten liess. Der Künstler arbeitete daran in den