ertcs Kapitel.
Die Bildncrci von 156i
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Auch die Auffassung des Verstorbenen, der im Leichentuche mit dein
herben Ausdruck des Todes starr (ialiegt eine trefflich gearbeitete
Statue war schon früher für die französischen Monumente üblich ge-
worden. Aber die trauernde Wittwe, die ihm zu Häupten kniet, so fein
sie dargestellt ist, kreuzt doch die Arme über der Brust gar zu elegant
und weiss sich zu viel mit ihrem Kummer. Wo sieh so viel falscher
Schmerz breit macht, ist es in der Ordnung, dass die Madonna am Fuss-
ende mit ihrem Rinde ganz kalt und theilnahmlos dabeisteht. Ihre Ge-
wänder sind überdein gar zu zierlich und studirt. 1m Bogenfelde zeigt
sich der Verstorbene zu Rosse stattlich und kühn, tüchtig bewegt, soweit
Panzer und Pferdedecke es erkennen lassen. Die vier Karyatiden in der
oberen Ordnung sind aifektirt, in der Ausführung gering, von trockner
Schärfe. In einer Nische krönt die kalte, nüchterne Virtus das Ganze.
Endlich stehe ich nicht an, Goujon als den Meister jener vier Reliefs
im Louvre (Abtheilung der modernen Se-ulptui- Nr. 134-137) anzuer-
kennen, die man ihm abwechselnd zugeschrieben und wieder abgesprochen
hat. Sie stellen drei Nymphen mit einem Genius des Wassers und einer
Venus dar und zeigen jene ausserordentliclie Zartheit im Umriss, jene
feine Behandlung des ganz iiachen Reliefs, die wir nur bei Goujon finden.
Obwohl etwas übersehlanlz, gleich seinen übrigen Werken, zeichnen sie
sich durch Anmuth der Formen und weichen Sehwilng der Linien aus. i)
Eine verwandte Richtung vertritt, jedoch in bereits manierirter
Weise, Germain Pilon (T 1590,), bei welchem der Einiiuss Primaticcids
stärker und einseitiger zur Geltung gelangt. Das sieht man besonders an
seiner berühmten Marmorgruppe der drei Grazien, jetzt im liluseum des
Louvre. Steife und gespreizte Gestalten, bei denen die übergrosse
Schlankheit nicht wie in Gonjoifs Werken durch Anmuth der Linien und
Feinheit des Ausdrucks gemildert wird; die Gewandung schon ganz will-
kürlich im Faltenwurf, voll kleinlicher Manieren. Die drei Damen sind
dicht zusammenstehend dargestellt, die Hände berühren sich wie zum
Reigentanz. Auf ihren mit geziertem Kopfputz versehenen Häuptern
(„gracieusement coiiiees" sagen die Franzosen) trugen sie ursprünglich
das Herz Heinrichs II. in einer Urne. Das Werk liess gegen 1560
Katharina von Medici ausführen und in der Cölestinerkirehe aufstellen.
Man hat die drei Grazien wohl als die himmlischen Tugenden erklären
Rul. im
Louvre.
Ger
Pil
Der einzige Grund, der gegen Goujon geltend gemacht ist (vergl. den sehr
gewissenhaft gearbeiteten Katalog 1855 S. 71) beruht darauf, dass man ve rmn tli et,
digbw) Reliefs Seien von einem erst nach Goujonls Tod errichteten {Frinniphluogen
der Portc S. Antoine. Mir scheinen die Gegenstände vielmehr auf einen Brunnen
hinzuweisen.