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Viertes Buch.
dagegen, dadurch nur noch mehr zu abermaligem Wetteifer mit Jener an-
gespornt, fällt in neue stylistische Verirrungen. Nur wo sie mehr natu-
ralistisch verfahren darf, wie im Portrait, erlangt sie noch immer glän-
zende Erfolge.
Von
Michelangelo
bis
Beruiui.
In Italien bewegt sich die Plastik während der letzten Deccnnien
des 16. Jahrhunderts unverändert in den Bahnen, welche Michelangelo
vorgezeichnet hatte. Nicht bloss italienische, auch fremde Künstler ström-
ten immer aussehliesslicher nach Rom, um dort die Weihe des einzig gül-
tigen Styles zu empfangen. Was die Fremden etwa an selbständigem Kunst-
gefühlmitbrachten, suchten sie möglichst schnell zu vergessen. Sie hätten
sich geschämt, nicht auf der Höhe der Zeit zu stehen. Dieser Umschwung
war ein innerlich nothwendiger. Denn die Kunst hatte durch ll'[icl1elzi.11gclo
eine so entschiedene Richtung auf das Grossc rmd Hohe erhalten, dass seinen
mächtigen Formen gegenüber alles Bisherige klein und sehwäichlich erschien.
Er hatte die menschliche Gestalt für seine Zwecke mit solcher Sicherheit
und Bestimmtheit gehandhabt, hatte durch die kühnen Oontraste der Bc-
wegimg ihr Leben so gesteigert, dass man Alles errungen zu haben
glaubte, wenn man ihm nur die ausseren Kunstgriffc abgesehen hatte.
Vor der bewussten Grösse seines plastischen Styles schien namentlich das
malerisch Dilettantische, Welches den nordischen Werken bis dahin in
ihrer Mehrzahl anhaftete, in Nichts zusammenzusinken. IGrinnern wir
uns, dass nur selten, nur ausnahmsweise die früheren deutschen Meister
zum Begriff des eigentlich plastischen Styles durchdrangen. Hier schien
er nun in unübertreflieher Grösse errungen zu sein, denn selbst durch
seine Irrthümer bestach er die Welt. S0 versuchte man nun durch Nach-
ahmen sich dieselben Vorzüge anzueignen. Dass man aber auf solchem
Wege nur einen ausseren Schematismus erlangt, wer hatte das gefürchtet?
So musste es wohl dahin kommen, dass man in den meisten Werken dieser
Epigonenzeit durch das Allgemeine der Formbildnng, durch eine abtrakte
Leere der Köpfe erkaltet wird.
Unter den jüngeren Nachfolgern Michelangelds gebührt dem als
Baumeister indess bedeutenderen Florentiner Bartolonzmeo Anmzanali
(1511-1592) hier ein Platz. Denn er gehört zu den manierirtesten
Naehahmern des Meisters. Zu welch ruhmredigem Style die Sculptur
damals sich bequemte, sieht man an dem Denkmale, welches der gelehrte
Marco llflantova Benavides sich bei Lebzeiten (1546) durch Ammanati in
den Eremitani zu Padna errichten liess. Unten Wissenschaft und Er-
müdung, dann des Gefeierten Ehre und Ruhm, oben die Unsterblichkeit,