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Viertes Buch.
Das Grabmal
Julius II.
Michelangelds- eigenem Ausdruck, dieTragödie seines Lebens. Nachdem
der Papst zuerst freudig auf den Plan eingegangen war, stellten sich
Hindernisse aller Art ein. Nicht das geringste von ihnen war die Decke
der sixtinischen Kapelle, die übrigens ein ebenso grosses plastisches als
malerisches Wunderwerk ist, und deren Gestalten auf die Entwicklung
der gesammten Plastik wie der Malerei von entscheidendem Einfluss
werden sollten. Auch jene heftige Entzweiung zwischen den beiden gleich
gewaltigen Naturen des Papstes und des Künstlers fiel dazwischen, die
erst durch die Zusammenkunft in Bologna (Ende 1506) gütlich ausge-
glichen wurde. Seine Besiegelung erhielt dieser Friedensschluss durch
den Auftrag, für S. Petronio das kolossale Erzbild des Papstes zu arbeiten.
Auch diesem schwierigen Unternehmen widmete Michelangelo sich mit
ganzer Energie, sodass schon im Februar 1508 die Statue aufgestellt
werden konnte. Sie stand etwas über drei Jahre an ihrem Platze; als die
Bolognesen 1511 die päpstliche Herrschaft abschüttelten, wurde Michel-
angelds Werk in Stücke zerschlagen.
Die Geschichte des Denkmals Julius II. zieht sich bis in Michel-
angelds Greisenalter hinein. Mehrmals wurde nach dem Tode des Papstes
(1513) der Plan geändert, und erst 1545 kam das Grabmal in der ver-
kümmerten Form zur Ausführung, in welcher man es jetzt in S. Pietro in
Vincoli zu Rom sieht. Zwischen nüchternen Pilastern zusammengedrückt,
liegt der Papst auf dem Sarkophage, gleich den meisten anderen Gestalten
von Schülerhanden ausgeführt. liliehelangelds Werk sind die Statuen
der Lea und _Rahel, die wieder das thatigc und beschauliche Leben
repräsentiren sollen. Sie sind ziemlich willkürlich bewegt, und die Idea-
litat der Köpfe ist nicht frei von etwas erkaltend Abstraktem. "Weitaus
das bedeutendste ist die berühmte Kolossalstatue des Moses (Fig. 206).
Michelangelo hat ihn, seiner Allegorie zu Liebe, ausschliesslieh als Mann
der That aufgefasst. Als sahen die blitzenden Augen eben den Frevel
der Verehrung des goldenen Kalbes, so gewaltsam durehzuekt eine innere
Bewegung die ganze Gestalt. Erschüttert greift er-mit der Rechten in
den herrlich herabfluthenden Bart, als wolle er seiner Bewegung noch
einen Augenblick Herr bleiben, um dann um so zerschmetternder loszu-
fahren. Ein gutes Theilb von dem eigenen Jahzorn und von der gewalt-
samen Heftigkeit eines Julius II. ist unbewusst in diese titanische Gestalt
hineingeflossen, und in diesem Sinne kann man Papst Paul III. nicht Un-
recht geben, wenn er meinte, derlMbses allein genüge, um ein Grabmal
wie dieses zu verherrlichen. Grandie: 'ist die ganze Behamllung, und bis
ins Detail hinein namentlich die gewaltigen Hände und Arme ent-
spricht Alles der grossartigen Anlage. Nur in dem Kopfe würde man ver-