Drittes Kapitel.
Italienische Bildnerei im 16.
Jahrhundert.
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fast immer in jene unruhige Ueberfüllung, unter welcher die besten Ge-
danken nicht zu voller Geltung gclangenü). Dieser Vorwurf trifft auch
die beiden Reliefs an der berühmten Bronzethür der Sakristei von S.
Fig. 203.
Relief von J ac.
Sansovino.
Venedig.
Mareo (1562 vollendet). In der Grablegung-Christi regt sich wieder
Etwas von dem leidenschaftlichen Drange des 15. Jahrhunderts, doch ist
sie bei stark malerischer Behandlung geistvoll eomponirt und zu ergrei-
fender Wirkung zusammengehalten. Unruhiger und nicht ohne äusserliche
Attitüde ist die Auferstehung geschildert, wo namentlich der Gestalt Christi
die feierliche Würde fehlt, die allein das Ganze beherrschen müsste. Die
Köpfe in den Einfassungen der Thür sind voll frischen Lebens, die kleinen
Engel von naiv anmuthiger Bewegung; bei den liegenden Gestalten der
Propheten ist aber mehr auf das ziemlich gesuchte Motiv, als auf befrie-
digende Durchbildung der Körper" gesehen. Besser sind die stehenden
Evangelistenfigürchen, allein auch in ihnen regen sich Reminiscenzen an
Michelangelo; so dass eine eigentliche Unbefangenheit vermisst wird. Die-
selbe Anlehnung an Gestalten Michelangelds zeigen in noch stärkerem
Die Arbeit muss 1546 schon zum Theil der Vollendung nahe gewesen sein;
denn als im Deccmber 1545 durch Unachtsamkeit der Arbeiter die Gewölbe der
neuen Bibliothek eingestürzt waren und Sansovino zu 1000 Ducati Schadenersatz
verurtheilt wurde, zog man unterm 10. Februar 1546 ihm 300 Ducati für drei dieser
Reliefs und 600 Ducati für die vier Statuen an der Loggctta ab. Mothes a. a. O.
II. 185.