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Viertes Buch.
Denn auch er arbeitet in Thon grosse Freigruppen, die in Nischen zusam-
mengestellt wie lebende Bilder wirken, aber doch nicht mehr bunt bemalt,
sondern mit marmorartig weisser Färbung versehen wurden. Eine höhere
plastische Oomposition erstrebt er dabei nicht, und in dieser Hinsieht fallen
diese merkwürdigen Werke stark ins Naturalistisehe und Malerische. Aber
die einzelnen Gestalten, in denen er mehr einer unmittelbaren Auffassung
des Lebens als antiken Studien folgt, sind meistens von köstlicher Wahr-
heit und anmuthiger Empfindung (Fig. 200). Es geht ein dem Correggio
verwandter Zug durch diese
ff w? Arbeiten, und sicher ist der
[J Einfluss jenes Meisters bestim-
V mendwfür die Entwicklung. Be-
garelhs geworden. Vasari er-
, 1m:- g-Qw ix zahlt, Michelangelo sei so hin-
Qt J) ä gerissen gewesen von der
i f (Ä Schönheit dieser anspruchslo-
s, , sen Schöpfungen, dass er aus-
Xi gerufen habe: "Wenn dieser
X X Thon Marmor würde, dann wehe
K k Q X den antiken Statuen." Ein En-
ex XYQEQ" thusiasmus, der in mehr als
ex i" einer Hinsicht bezeichnend ist,
in welchen heute jedoch schwer-
Fig. 200. Frauenkopf von Begarelli. lieh Jemand noch einstimmen
Würde.
Noch ungemässigt im scharfen Ausdruck der Leidenschaft ist die
Gmppe des von den Angehörigen befrauerten todtcn Cfhristus in S. M.
Pomposa zu Modena. Dagegen erhebt sich der Meister in der Kreuz-
abnahme in S. Franceseo zu hohem Adel der Auffassung bei grossartiger
Bildung des Einzelnen. Nur die Ogmposition ist im Ganzen nicht mühelos
aufgebaut, trotz der herrlichen Gruppe der Frauen; auch haben die Ge-
wänder manche unschön naturalistisehe Motive. Voll Adel und Ausdruck
ist sodann die Gruppe von Heiligen mit der Madonna im rechten Querarm
von S. Pietro, für welche der Contrakt vom Jahre 1532 noch vorliegt.
Die Beweinung des todten Christus im Chor derselben Kirche muss etwas
später entstanden sein, denn in ihr ist wohl das einfach Grossartigste und
Ergreifendste gegeben, was der Meister vermochte. Minder erfreulich da-
gegen sind die Einzelstatilen im Mittelschiff derselben Kirche, denen man
deutlich annierkt, dass sie sich nach Gruppirung in einer Nische sehnen
und, so im freien Raume getrennt, sich unbehaglich fühlen. Aus späterer