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Buch.
Viertes
Meister in (Dberitalieu und Neapel.
Alfonm.
Lombard
Für Oberitalien gingen wie in den vorigen Epochen auch diesmal die
Anregungen wieder von Florenz aus. In Bologna war es zunächst 'I'riholti,
der den neuen idealen Styl dort einbürgerte. Gleichzeitig finden wir
dort dann einen bedeutenden Meister, Alfonso Lombardi von Ferrara
(c. 1488-1537), eigentlich von Lucca gebürtig und Cittadella geheisseil t).
In seinen früheren Werken regt sich noch ziemlich stark der energische
Naturalismus des 15. Jahrhunderts, besonders in der durch Mazzoni (vgl.
S. 512") begründeten Art der Auffassung. Sein der bemalten Gruppe des
Christus mit den Aposteln im Querschid des Domes zu Ferrara; ferner
ebendort in S. Giovanni Bapt. an dem Reliefbrustbild einer Madonna und
in S. Domenico an der portraitartig lebendigen Büste des h. Hyacinthus,
welche beide man ihm zuschreibt. Derselben Richtung huldigt er auch
noch in der bemalten Thongruppe des von den Seinigen beweinten todten
Christus, in der Krypta von S. Pietro zu Bologna. Dort aber beginnt
der edle Styl Quer-ma's und später auch die Anmuth Tribolols auf ihn zu
wirken, und schon in der grossen Thongruppe des Todes Maria im Ora-
torium bei S. M. della Vita (Fig. 199), welche 1519 vollendet wurdetr),
siegt dieser Geist einer geläuterten und acht plastischen Schönheit über
den einseitigen Naturalismus. Und doch spricht der fast verklungene
heftige Sinn des 15. Jahrhunderts noch einmal vernQnlioh mit in der am
Boden liegenden Figur eines widerspenstigen Juden, auf welchen Einer
von den Aposteln, kaum noch von Christus zurückgehalten, ein grosses
Buch zu schleudern Miene macht. Ein achter Gedanke aus jener Epoche,-
wclche das Leben um jeden Preis, wäre es selbst auf Kosten der Würde
und Schönheit, in leidenschaftlicher Gewalt darzustellen suchte.
Als Karl V. 1529 nach Bologna kam, fertigte Alfonso die Statuen
für den zum feierlichen Einzug errichteten Triumphbogen und erwarb bald
die Gunst des Kaisers durch die trefflichen Bildnisse, welche er in Me-
daillenform arbeitete. Vorher schon (vor 1526) muss das Denkmal des
berühmten Ramazzotto entstanden sein, welches dieser sich selbst durch
Alfonso in S. Micchele in Bosco errichten liess. Der Feldherr liegt im
Harnisch schlummernd da, eine überaus lebensvolle Gestalt, und über ihm
erscheint im Relief die Madonna. Noch früher (vor 1525) fallen die über-
lebensgrossen Thonfiguren der vier Schutzheiligen Bologna's, die man in
den Nischen der Bögen sieht, auf welchen der unter dem Namen Tor-
ß) Carlo Frediuni, Ragionam. Storico inxtorno ad Alfonso Cittadella. Lucca
1834. cf. Vasari, ed. Lemonn. IX. p. 9.
k") Vergl. Duvia, im Text zu dem von Gius. Gnizsarrli hcrausgeg. Werk über
die Svulptnren von S. Petronio (Bologna 1834) S. 97.