Volltext: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

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Viertes Buch. 
Sansovindsnoch die Oberhand. Am nächsten steht ihm Niccolb Pericoli, ge- 
nannt Tribolo von Florenz (1485-1550) k), zwar anfangs ein Schüler des 
später zu betrachtenden J acopo Sansovino, aber schon durch das Mitarbeiten 
an (IQ Casa Santa zu Loreto mehr unter dem Einfluss Andrea's. Zu seinen 
frühesten Werken gehört ein Marmorbild des Apostels Jakobus, welches 
links in einer Seitennische des Chores im Dom zu Florenz sich findet. In 
R 0 m schuf Tribolo für das Grabmal Papst Hadrian VI. (T1523) im Chor Von 
S. Maria deIPAnima die Statuen der Tugenden in den kleinen Seitennischen, 
während Michelangelo Sanese die liegende Gestalt des Papstes arbeitete. 
Die übrige Ausschmückung besteht oben im Bogenfelde aus einem Relief 
der Madonna mit Heiligen, unten am Fuss einer Scene aus dem Leben 
des Papstes, die mir wieder von 'I'ribolo's Hand zu sein scheint. Die Be- 
handlung des Reliefs ist durchaus maassvoll, und das ganze Werk steht 
sichtlich unter dem Einfluss von Sansovinds Pralatengrabern in S. Maria 
del Popolotrt). Gegen 1525 wurde Tribolo nach Bologna berufen, um 
daselbst die Seitenportale der Faeade von S. Petronio zu schmücken. In 
der Laibung der Thür und des Bogens arbeitete er die anmuthigen Ge- 
staltexi der Sibyllen und Propheten, an den Pilastem rechts Scenen aus 
dem Leben Josephs -und links drei Reliefs mit Geschichten des Moses. 
Auch diese Werke gehören zu den reinsten und anziehendsten Schöpfungen 
der Zeit. Etwas später datirt das Marmorrelief der Himmelfahrt Maria in 
derselben Kirche, rechts in der Kapelle Zambeccari, ursprünglich für die 
Kirche der Madonna von Galiera gearbeitet. Von seinen Werken in 
Loreto war schon oben die Rede. In seiner spatern Lebenszeit war er 
für Cosimo I. in Florenz als Architekt und Bildhauer hauptsächlich bei 
i) So ist die gewöhnliche Angabe seiner Lebenszeit zu verbessern nach Gayc II, 
380 und Vasari, ed. Lcrnonn. X 243. 
 In derselben Kirche (es ist die Nationalkirche der Deutschen) sieht man 
links vom Eingangs: das Grabmal des Kardinals Wilhelm Enckenvort (T1534), dessen 
Stiftung jenes Denkmal Hadrians VI. ist. Er liegt, ein wiirdevoller Greis mit langem 
prächtigem Bart, auf dem von zwei Adlern getragenen Sarkophag in stillem 
Schlummer; über ihm im Relief der segnende Gottvater. Von ähnlicher Tüchtig- 
keit ist ebendert ein kleines ausgezeichnetes Grabmal vom Jahr 1518, für Bernhard 
Schulte und Johann Knibe errichtet, mit den trefflichen Büsten der beiden Lands- 
leute voll sprechender Lebenswahrheit, umgeben von einer Architektur von rafaeli- 
scher Anmuth.  In' diese Reihe gehört auch das Grabmal des Erzbischofs Giulinno 
von Ragusa (1510) in S. Pietro in Montorio. In der Statue des Verstorbenen hat 
der Künstler die Motive des leichten Schlummerns von den Grabmälern Sansovinds 
nicht ganz glücklich weiter zu verfolgen gesucht; auch die beiden Ordensheiligen in 
der Lünette neigen sich, zu Gunsten des Halbrunds, etwas gezwungen nach vorn. 
Aber die Madonna mit dem reizend bewegten Kinde berührt wie ein Klang früh- 
rafaclischer Kunst. ' 
	        
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