Volltext: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

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Erstes B1 
ausruht. Auf prächtigem Lager, über welches kunstreieh gewirkte Decken 
gebrcitct sind, liegt er nach orientalischer Sitte nachlässig hingestreckt 
und setzt die Trinkschaale an die Lippen. Auf zierlich geschnitzteni 
Sessel sitzt ihm gegenüber die Königin, ihm Bescheid thuend, vielleicht 
das einzige Mal, dass uns eine Frauengestalt (mit Ausnahme bei Gefange- 
nen und fremden Völkern) auf assyrischen Reliefs begegnet. Auf einem 
nicht minder reich ges(rl11i1ii(:kte11 Tische liegen des Königs Watfcin; ein 
Diener ist daneben aufgestellt, dem Herrscher Kühlung zuzuwehen. Nichts 
ist vergessen, der Scene einen gemüthlich idyllischen Charakter zu geben: 
Cedern und Palmen, durch üppige Weinranken verbunden, bilden eine 
schattige Laubc über der Gruppe, und selbst die Baume sind mit Vögeln 
belebt, deren einer auf eine benachbarte Heuschrecke lauert, um ihr das- 
selbe Schicksal zu bereiten, das eben dicht daneben ein andres (licser 
Thierehen durch einen zweiten Vogel erfahrt. Dass endlich von einem 
Baumziveige ein abgehauenes Menschenhaupt hcrabhängt, kann die Ge- 
müthlichkeit des orientalischen Herrschers nicht stören, eher vielmehr 
erhöhen.  
Q5 Die letztbesehriebenc Seene ist vielleicht das lüleganteste, Feinste, 
Zierlichste, was der assyrische Meissel hervorgebracht. Der Schmuck 
der Geräthe und Gefässe, der Sessel, Tische und des Lagers ist bis in's 
Kleinste mit einer an zarteste Elfcnbeinsehnitzerei erinnernden Miniatur- 
arlaeit durchgeführt. Man sieht, wie die assyrische Kunst mit Vorliebe 
in's Genrebild auslauft. Wir haben von diesen späteren Werken dess- 
halb mit solcher Ausführlichkeit reden müssen, weil sie bis jetzt nirgends 
eine gebührende Würdigung erfahren haben und, dem grösseren, werth- 
volleren Theile nach noch durch keine Veröffentlichung bekannt gemacht 
sind"). Erst durch ihre genauere Betrachtung stellt sieh die merkwürdige 
Wahrnehnning heraus, dass die assyrisehe Kunst während der ganzen 
Epoche ihres Blühens, soweit wir dieselbe verfolgen können, eine nicht 
unbedeutende künstlerische Entwicklung vom strengen, gebundenen, ein- 
fachen Styl der lllrühzeit zum freieren, reicheren, feineren der Schluss- 
epoehe (lurchgemacht hat, darin also sowohl der ostasiatischen wie der 
ägyptischen Kunst entschieden überlegen ist. Die Ursache dieser auffallen- 
den Erschcinung ist gewiss in dem offenen Sinn für die Natur, in dem 
lebendigen Ansehliessen an dieselbe zu suchen. Bei den Indern, wo das 
 Eine Anzahl der Reliefs von Kujjundseliik hat Lngpn-rl in seinem Werke 
A seeond series of tlie monuments of Nineveh (F01. Lundon 1853) veröffentlicht; es 
fehlen aber noch die schönsten und reichsten Platten, die man den neueren Aus- 
grabungen der Herren Iiassmnz und LufIus verdankt.
	        
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