Volltext: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

Zweites Kapitel. 
V01] 
Nordische Bildnerei 
1550. 
627 
Weit spärlicher noch als in Frankreich ist die Plastik in den Nie- 
derlanden durch Denkmäler dieser Epoche vertreten. Zum Theil mag 
dies untergeordnete Verhältniss sich daraus erklären, dass hier die Malerei 
seit den Eycks die bevorzugte Kunst war und blieb, und dass die Plastik, 
seit sie in den Denkmälern von Tournay (S. 425) demRealismus zuerst 
Bahn gebrochen, die Führcrschaft ausschliesslich der beweglieheren Schwe- 
sterkunst überlassen hatte. Von der Farbenpracht der durch Hubert van 
Eyck zur Vollkommenheit entwickelten Oelmalerei scheint man so geblen- 
det und berauscht gewesen zu sein, dass der ernstere Formengeist der 
Plastik daneben keinen Reiz zu üben vermochte. Selbst wo man Metall 
für die Grabmaler anwendet, zieht man vor, die Platten mit eingegrabener 
Zeichnung zu schmücken, wie noch jetzt manch erhaltenes edles Denkmal 
bezeugt. Mehrere Tafeln dieser Art sieht man in S. Jakob und in der 
Kathedrale zu Brügge, und zwar vom Beginn des 15. bis in den Airfang 
des 17. Jahrhunderts reichend. 
Plastik in 
den Nieder- 
landen. 
G rnbplatte: 
in Brügge. 
Erst gegen Ausgang des 15.Jahrhunderts ünden wir eine bedeutende 
Leistung der Plastik in dem 1495 durch Jan de Baker von Brüssel aus- 
geführten Monument der Maria von Burgund, Gemalin Kaiser Maximilians, 
in der Liebfrauenkirche zu Brügge. An dem prächtigen, mit Wappen 
in Schmelzwerk geschmückten Marmor-Sarkophag sind die kleinen Engel 
und die wappenhaltenden Figürchen fein und naiv im Style gleichzeitiger 
flandrischer Maler, namentlich eines Memling angebracht. Auf dem Sar- 
kophag liegt die vergoldete Erzfigur der schönen Maria, ein Werk von 
edler Lebenswahrheit. Später (1558) wurde auf Philipps II. Geheiss das 
Denkmal Karls des Kühnen durch den Bildhauer Jongherling aus Ant- 
werpen hinzugefügt. In der Anlage jenem früheren verwandt, kommt 
doch in den Einzelheiten und im Charakter der Gestalten die italienisi- 
rende Richtung in nüchterner Weise zum Vorschein. Dagegen bewährte 
noch im Jahre 1544 ein unbekannter trefflicher llleistei- an dem Grabmal 
eines Ritters von Oyeghem, das sich in einer ehemaligen Seitenkapelle 
von S. Jakob zu Brügge befindet, die einfache Empfindung und das feine 
Naturgefühl der heimischen Kunst in den marmornen Gestalten der beiden 
Eheleute, besonders aber eines mit liebevoller Innigkeit dargestellten 
Töcliterleins. 
Ein Prachtbeispiel üppigster Innendekoration ist der herrliche in Holz 
geschnitzte Kamin des dortigen Justizpalastes vom Jahre 1529. Die zier- 
lichste Renaissance-Ornamentik verbindet sich hier mit figürlichen Dar- 
stellungen, mit den tüchtigen fast lebensgrossen Standbildern Karls V. 
und seiner Vorfahren, Karls des Kühnen sammt seiner Gemalin, seiner 
Tochter Maria und Maximilians, sowie anderer Verwandten. Dazu kommen 
Brügge, 
Fürsten- 
gräber. 
rab in S. 
Jakob.
	        
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