Zweites Kapitel.
Nordische Bildnerei von 1450
1550.
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des 15. Jahrhunderts an. Vom Anfange des folgenden stammt dann das
lilarrnorrelief des h. Georg, der den Drachen besiegt, 1508 von [Wickel
Colombe ausgcführtii). Es ist etwas steif und sehwerfallig, dabei malerisch
componirt. Völlig hart und unerfreulich tritt der Realismus der Zeit, durch
Bemalung noch verstärkt, an den knieenden Statuen des Philipp von G0-
mines (T 1509) und seiner Gcmalin auf, Welche aus der Kirche der Augusti-
ner in das Museum übergegangen sind.
Zu den schönsten Werken dieser Art gehören dagegen die Grabmaler,
welche Margaretha von Oesterreieh nach 1504 in der Kirche zu Brou für
sich, ihren Gemahl Philibert von Savoyen und ihre Schwiegermutter Mar-
garetha von Bourbon ausführen liess. Reichthum der Anordnung, zier-
liche Pracht der Ausführung und edle Charakteristik der Gestalten verbinÄ
den sich Llarin zu seltener Wirkung. Neben italienischen und französichen
Künstlern werden auch zwei Schweizer, Konrad und Thomas Illeyr, als
ausführende Bildhauer genannt. Eine originelle Verschmelzung gothischer
und Renaissanceformen von hoher dekorativer Pracht zeigt das Grabmal
im Chor der Kathedrale von Rouen, welches (ler Kardinal Georg von
Amboise sich und seinem gleichnamigen Oheim nach 1510 errichten liess.
Meister Roullavzt de Roux soll es mit mehreren Gehülfen ausgeführt haben.
Die beiden lebensgrossen Gestalten knieen in langfaltigen Prachtgewandern
auf einer schwarzen, von Konsolen getragenen lllarmorplatte. Der ältere,
ein bedeutend aufgefasstes brutales Pfaffengesicht, der jüngere ebenfalls
widerwartig, aber voll energischen Lebens, Beide in pomphaft bauschigen
Mänteln. Unter den Konsolen sind Pilaster und dazwischen Nischen mit
sitzenden Statuen von Tugenden, Alles von grossem dekorativen Reiz,
aber die Figuren ungleich, mehrere mit trefflich stylisirten Gewändern,
andere etwas unruhig gcknittert. So sind auch die Köpfe nur zum Theil
glücklich belebt, andere dagegen blöd und befangen. Die prachtvoll in
Gold und Farben strahlende Rückwand zeigt S. Georg und andere Hei-
lige, ebenfalls von imgleichem Werth. Die Wölbung ist mit reizenden
vergoldeten Kassetten geschmückt, und über ihr steigt eine reiche Bekrö-
nung auf n1it Statuetten in Nischen und zierliehem Kinderfriese, alles in
spielenden Renaissaneeformen, die auch an den luftigcn-Pyramidenspitzen
wiederkehren, mit denen dies üppige Prachtstück in gothisirender Vleisc
abschliesst.
Einer der vorzüglichsten französischen Bildhauer dieser Epoche ist
Jean Jzoste. Von ihm sieht man in der Kathedrale seiner Vaterstadt
Tours ein kleines Marmorgrab zweier früh (1495 und 1496) verstorbener
Gräber in
Brou,
in Rouen.
Vergl.
Henry Barbel (lq Jouy,
d escr.
des sculpt.
mod.
(Paris 1855) S.