Zweites Kapitel.
Nordische Bih
lncrei von
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trifft man Züge von höchster Leidenschaftlichkeit und Kühnheit, in den
grossen Ceremonienbilden: e1freut, neben der verständigen Anordnung,
eine Fülle von zierlichen Details.
In den übrigen Ländern.
Neben
Deutschland
treten
anderen
Länder
des
Nordens
der
Entwicklung der Plastik dieser Epoche minder bedeutend hervor. Zwar
müssen wir zugeben, dass unsere Kenntniss der betreffenden Kreise mangel-
hafter ist als die der Heimat: gleichwohl lässt sich die Tllatsache einer
mehr vereinzelten Pflege der Plastik in den Nachbarländern nicht leugnen.
Am meisten leistet noch immer Frankreich. Aber es fehlt viel
daran, dass wir hier den Eindruck einer so regen volksthümlichen Ent-
wicklung der Kunst empfingen, wie die gleichzeitige (leutsche Bildncrei
sie darbot. Diemit der Ausbreitung der königlichen Macht in gleichem
Verhältniss fortschreitende Concentration des Lebens, die durch Karl VII.
und besonders durch Ludwig XI. vollendet wurde, bahnte auch für die
Kunst jene Ccntralisation an, die alle freieren nationalen Impulse zerstörte
und das künstlerische Schaffen in die Sphäre des Hoflebens hincinzog.
Damit ging die Aufnahme der italienischen Renaissance, die besonders
durch Franz I. gefördert wurde, Hand in Hand. Auch hierbei war es
wieder bezeichnend, dass die neue Auffassung nicht wie in Deutschland
den einheimischen Künstlern auf mancherlei Wegen durch eigenes Suchen
und Streben zutloss, sondern dass der prachtliebende König Kunstxrerke
in Italien bestellte und ankaufte, mehr noch (lass er eine Anzahl italieni-
scher Meister nach Frankreich berief. Denn während die deutschen
Künstler unbefangen die fremde Form mit der heimischen Empfindung
durchdrangen und Beides in phantasievoller Weise zu einem neuen Style
verschmolzen, wurde nach Frankreich einfach die fremde Kunst als ein
fertiges Produkt importirt, das sich zwar in der Architektur zu einem
Compromiss mit den Gewohnheiten und Anschauungen des Landes ver-
stehen musste, in der Plastik und Malerei dagegen mit der ganzen Selbst-
gefälligkeit einer formell überlegenen Bildung sich aufdrängte. Um aber
diese Verhältnisse in ihrem tieferen Grunde zu begreifen, muss man sich
erinnern, dass schon im Ausgang der vorigen Epoche (vergl. S. 424)
niederländische Künstler es waren, welche in Frankreich den Styl der
Sculptilr bestimmten, sodass also der originale Kunstgeist des Landes
wirklich sich in der grossen Epoche des frühgothischen Styles auf Jahr-
hunderte erschöpft zu haben scheint. Noch vollständiger War dies in der
Malerei der Fall, die mit Ausnahme der Glasgcmalrlc und der Miniaturen
"in Frankreich keine ilennenswerthe Blüthe bis ins '16. Jahrhundert hinein
Französische
Plastik.