Zweites Kapitol.
Nordische Blldnerei von
1550.
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Theoberts von Burgund, insch1'iftlich 1535 von Bernhard Godl gegosscnät)
Hier hat der Künstler, beim Mangel jeder Portraitvorlage, sich naiv genug
dadurch geholfen, dass er das gar nicht vorhandene Gesicht durch das
herabgelassene Visir verdeckt. In Wahrheit spielt bei der Mehrzahl
dieser Gestalten das meist sehr phantastische, selbst unschön manierirte
Kostüm die Hauptrolle, und nicht gering ist die Erfindungsgabe der
Meister anzuschlagen, welche sämmtliche 28 Figuren in stets verschie-
denen reich variirten Trachten von höchster Pracht der Durchführung
hinstellten. Selbst die übrigen, ziemlich sehwerfalligen und zum Theil
nüchternen Standbilder bieten doch in dieser Hinsicht manches Interesse.
Auch verrathen die meisten, wegen der schlichten Naivetät der Auffassung,
durchaus noch den Charakter der ersten Hälfte des 16. Jahrhunderts.
in's Theatralische fallen nur wenige, obschon einige der früheren wohl
einen Anflug davon haben. Die Standbilder König Ferdinands, mehr
noch Kaiser Rudolfs und am meisten, ja geradezu in Karikatur über-
gehend, die Statue Rudolfs IV., Grafen von Habsburg gehören dieser
Richtung an. Doch möchten selbst diese kaum lange nach 1540 ent-
standen sein.
Auch die 23 halblebensgrossen Erzbilder von Heiligen und Ver-
wandten des österreichischen Ilauses, ursprünglich wohl für die nähere
Umgebung des Denkmals bestimmt, später auf dem Schwibbogen des
Chores, jetzt in der Silberkapelle aufgestellt, zeigen in den etwas kurzen
Verhältnissen, in der schweren, aber einfach klaren Gewandung, welche
bisweilen wieder mit aller Pracht durchgeführt ist, in dem schlicht naiven
Gepräge der nicht sehr feinen, aber charakteristischen Köpfe so viel
Verwandtschaft mit den früheren unter den Kolossalstatnen, dass sie
schwerlich nach 1540 entstanden sind. Die Vermuthnng Dr. Naglers,
dass sie um 1529 von Stephan Godl ausgeführt worden seien, hat demnach
i) Nachträglich entdecke ich, dass die Angabe des Giessernamens an dieser
Stelle, sowie jenesMonogramm A. P. vom Jahre 1533 sich unmöglich auf die Statuen
selbst beziehen kann, sondern dass damit nur der Giesser der später hinzugefügten
Basis ("Captt-"sl" sagen die Urkunden), auf welcher das Erzbild steht, gemeint ist,
Denn Herzog Theobert war laut Inventar schon um Trinitatis 1516 gegossen;
dasselbe war der Fall bei Philipp von Spanien und Erzherzog Ernst, deren Basis
mit 1533 bezeichnet ist. Da nun in den Inventaren mehrmals erwähnt wird, dass
die "Captele" nachträglich gegossen wurden, so haben wir ein bemerkenswerthes
Beispiel für die Unbefangenheit, mit welcher man damals bei derartigen Inschriften
verfuhr. Ich nehme dies Zeugniss in Anspruch, um das zu bekräftigen, was ich
S. 609 bei Gelegenheit des Berliner Denkmales gesagt habe, dessen älteren Thgil
ich nun um so gewisser P. Vischer zuschreibe.