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Viertes Buch.
S. Stephan,
Taufstein,
Scnlpturen
u n Abusserxl
Vom Jahre 1481 datirt in der Katharinenkapelle des Stephans-
domes der ebenfalls aus Marmor gearbeitete Taufstein mit den einfach
würdigen Statuetten der Apostel. Von höherem Kunstwerth ist die
durch Lebenswahrheit und Kraft der Charakteristik ausgezeichnete
Portraitbüste des Meisters Jörg Oechsel, welche nach Art einer Konsole
die alte Orgel im nördlichen Seitenschiife trägt. Das tretfliche Werk ver-
dient ausserdem als ein Markstein in der Baugcschichte von S. Stephan
Beachtung, denn der wackere alte Meister hat sich dies Denkmal kurz
vorher gesetzt, ehe er von dem ränkevollen und gewaltthätigen Anton
Pilgram von Brünn. aus der Bauführung verdrängt wurde. Dieser ist
seit 1506 als Werkmeister von S. Stephan nachzuweisen ü) und errichtete
um 1512 die prachtvolle Kanzel mit den Brustbildern der Kirchenvater
und kleinen Heiligenfiguren. Unter der Treppe brachte er seine eigene
Portraitbüste an, ebenfalls ein Werk von, charaktervoller Tüchtigkeit.
Diese Arbeiten sowie jenes Werk Oechsels scheinen darauf zu deuten,
dass beide Künstler ihre Ausbildung in der schwäbischen Schule gefunden
haben. Aussen am Chor von S. Stephan sieht man eine leider stark
zerstörte Krenztragung Christi, 1523 von [Konrad Vlauen gearbeitet.
Sodann an der Südseite eine zum Gedächtniss des Kirehenmeisters Johann
iniscl
xstik.
leidelberg.
Worms.
Straub errichtete Hochrelieftafel vom Jahre 1540, welche in einfachem
Renaissancerahmen in der Mitte den Abschied Christi von den h. Frauen,
ringsum in sieben Medaillons Darstellungen aus seinem Leben enthält. In
diesen Arbeiten mildert sich der Styl zu grosser Weichheit und Anmuth;
die Composition ist im Ganzen wie in den einzelnen Scenen sprechend
lebendig, die Anordnung klar.
Auch in den übrigen Gegenden Deutschlands tritt die Steinplastik
vereinzelter auf als die allgemein verbreitete Holzarbeit. Doch ünden wir
am'Main und Rhein Lokalschulen, die an den zahlreichen Grabmalern
nicht gerade eine höhere selbständige Bedeutung bewahren, aber doch
manches wackere und selbst edlere Werk hervorbringen. Viele Denk-
mätler solcher Art sieht man in der Kirche zu Wertheim am Main. Sie
spiegeln die verschiedenen Wandlungen, welche die deutsche Senlptur in
dieser Epoche auch andeiwärts durchmacht. Eins der frühesten Werke
dieser Zeit ist der Grabstein Rupreehts von der Pfalz in der h. Geistkirche
zu Heidelberg. Werthvoller und anziehender sind die Relieftafeln in
der Nikolauskapelle des Doms zu Worms, Welche die Geburt Christi,
die Verkündigung, Grablegung und Auferstehung, sowie den Stammbaum
der Maria darstellen. Während diese Arbeiten die realistische Auffassung
Alle geschichtlichen Notizen iiber die Werke von St. Stephan verdanke ich der
gediegenen Einleitung J.F01Tl's zu AJi. v. Pergeräv Dom von S. Stephan (Triest 1854).