Volltext: Geschichte der Plastik von den ältesten Zeiten bis auf die Gegenwart

Zweites Kapitel. 
Nordische Bildncrei von 1451 
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des h. Kilian sammt seinen Gefährten von solcher Treiflichkeit der Be- 
handlung mid so edler Charakteristik, dass ich sie nur dem Meister selbst 
zuschreiben kann. Für ein vorzügliches ltiiniaturiverk Riemensehneiders 
halte ich auch drei anderthalb Fnss hohe, aus S. Florian stammende, jetzt 
im Münzkabinet zu Wien aufbewahrte Figürchen von feinster Holzschnitz- 
arbcit und tretflicher Bemalung. Sie stellen einen jungen Mann mit dem 
schönen Riemenschneidefschen Johanneskopfe, ein anmuthiges Mädchen 
und eine scheussliche Alte vor, die durch Drehung eines einfachen Mecha- 
nismus nach einander zum Vorschein kommen. 
Andere Würzburger Steinsculpturen, die seinem Style nahe stehen, 
werden von seinen Schülern ausgegangen sein, unter denen in erster Reihe 
sein Sohn Jörg erscheint. Von diesem rührt gewiss der schlichte, würdige 
Grabstein des Meisters her, jetzt im Besitz des dortigen historischen 
Vereines. Eine recht würdige Arbeit dieser Epoche ist ferner die Gruppe 
am Aeusseren der Pleiehacher Kirche zu WV ü rzburg, welche Christus im 
Gebet am Oelberg neben den drei schlafenden Jüngern darstellt. Die 
Köpfe und Geberden sind minder originell, als bei Riemenschneider, mehr 
conventionell aufgefasst, nur Johannes hat Etwas von der ausdrucksvollen 
Schönheit der Idealköpfe jenes Meisters. Die Gewänder, breit und mit 
vielen Querfalten angelegt, lassen die Grösse und die energische Scharfe 
des Riemenschneidefschen Faltenwurfs vermissen. 
Seine 
Schule. 
Oelberg 
m1 der 
Pleichacher 
Kirche. 
Sind indess hier, namentlich in der feinen Zeichnung der Hände, 
doch Anklänge an seinen Styl, so steht dagegen der Meister der grossen 
Gruppe vom Tode der Maria, welche man im Dome rechts neben dem Ein- 
gange sieht, jener Richtung selbständiger gegenüber. Maria, die mit ge- 
schlossenen Augen auf dem Sterbebett liegt, gehört zu den idealsten 
Schöpfungen der Zeit und steht im reinen, fast griechischen Schnitt des 
Gesichtes, im Adel der Züge, die von einem stillen Lächeln verklärt wer- 
den, über den Madonnen Riemenschneiders und der meisten Zeitgenossen. 
Die Apostel schauen theils erstaunt hinauf, theils überlassen sie sich ihrem 
Schmerze. Johannes, der sich niedergewoifen hat, die Hand der Sterben- 
den ergreift und mit Verzweiflung in den abgehärmten Zügen nach einer 
letzten Spur des Lebens zu forschen scheint, ist ein herrlicher Gedanke. 
Ueberhaupt gehört diese grosse, leider mit Oelfarbe überstrichene Gruppe 
an Lebensgefühl, Tiefe des Ausdrucks und Kraft der Charakteristik zu 
den gediegengten Schöpfungen der Zeit. Auch in dem tliessendcn Zug 
der Gewänder waltet noch das frühere Schönheitsgcfühl. Das Werk mag 
um 1480 (durch einen schwäbischen Meister?) entstanden sein, ehe 
Riemenschneider in Würzburg der Plastik eine neue Wendung gab. 
Tod Mariä. 
im Dom.
	        
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