Zweites Kapiigfsl.
Ndrdische Bildnerei von 1450
1550.
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breite Kopf, der indess durch den offenen, acht deutschen Ausdruck von
Herzlichkeit einnimmt. Im Hofe des Spitals in der Maiuvorstadt zu
Würzburg sieht man eine Holztafel mit den Hochrelieftiguren der vier-
zehn Nothhelfer, stark zerstört und" mit Oelfarbc überstrichen, 1494 von
Riemenschneider ausgeführt und durch naiv charakteristische Zeittrachten
anziehendl Aus demselben Jahre stammte das für den Dom zu Würzburg
gearbeitete, bis an das Gewölbe des Chors reichende Sakramentsgehäilse,
welches bei der Modernisirung des Domes zerstört wurde.
Auf einem anderen Gebiete, dem der Portraitdarstellung, begegnen
wir Riemenschneider in dem Grabstein des Fürstbischofs Rudolph von
Scheerenberg (T 1495) im Dom. Das Denkmal ist in röthlichem Marmor
ausgeführt, der seitwärts geneigte Kopf zeigt einen charakteristischen
Naturalismus, durch feine Bemalung noch verstärkt. Die Haltung ist
ungezwungen, die Gewandung breit angelegt, aber in eckigen Falten-
brüchen. Ein reich durchbrochener phantastisch geschweifter Baldachin
krönt das Ganze; anmuthige Engel am Sockel halten die Inschrifttafel,
zwei höchst gutmüthige Löwen die Wappen. Ein würdiges Marienbild
vom Jahre 1498 sieht man am Rathhause zu Ochsen furt. In der Marien-
kirche zu Würz b urg deutet der Grabstein des Ritters Konrad von Schaum-
burg (T 1499) ebenfalls auf "Meister Dill," sowohl in seinen Schwachen,
wie in den Vorzügen. Denn da der Ritter fern von der Häimath auf einer
Pilgerfahrt gestorben war, so musste der Künstler ihm einen Charakter-
kopf eigener Erfindtmg geben, der durch den seelenvollen Ausdruck und
das lockige Haar an die Idealwerke Riemenschneiders erinnert. Die Hal-
tung des Körpers aber erhielt dadurch einen Mangel an Freiheit und
charakteristischer Lebendigkeit, dass er bei dem Mangel an eigener An-
schauung zur Nachahmung der conventionellen Weise gothischer Denk-
mäler seine Zuflucht nahm.
Anderes zu
Würzburg.
Wie hoch Riemenschneiders Ruf damals schon gestiegen war, sieht
man daraus, dass er im Jahre 1499 den Auftrag erhielt, ein praehtvolles
Grabmal für Kaiser Heinrich II. und seine Gemalin Kunigunde im Dom
zu Bamberg zu errichten. Diese Arbeit, eins der Hauptwerke des Mei-
sters, wurde 1513 vollendet. In marrnorartigem Kalkstein ausgeführt,
der eine miniaturartige Vollendung des Einzelnen gestattete, erhebt sich
das grosse Monument in der Form eines reichgeschmückten Sarkophages,
auf welchem die überlebensgrossen Gestalten des Kaisers und der Kaiserin,
treifliche Charakterflguren in der phantastischen Tracht des 15. J ahrhun-
derts, ruhen"). Am Sarkophage sind fünf Scenen aus dem Leben des
Denkmal zu
Bamberg.
Gute Abb. bei E. Förster, Denkm. VII.
Lübke, Gesch. der Plastik.