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Viertes Buch.
Glückseligkeit das mit einem Hemdchen bekleidete Kind vor sich hin,
welches mit der linken Hand die Wange der Mutter streichelt. Während
von oben zwei Engel, freudig bewegt, mit der Krone nahen, schweben zwei
andre herab und breiten in" herrlichem Faltenwurf den weiten Mantel der
Madonna wie schützende Flügel über die ganze Christenheit, die in kleinen
Figuren unten kniet, und über die Familie Peringerexlörfer, für deren
Grabmal das Werk ausgeführt wurde. Ein Jubelklang himmlischer Freude
dureln-auscht diese ebenso feierliche als liebliche Darstellung, die den
lileister so gross im Milden und Anmuthigen zeigt wie wenig andere. Auch
die Gewänder sind flüssiger im Zug der Linien als in den übrigen Werken
Kraffts; die Köpfe der Engel und der Maria erinnern an die verwandten
des Tabernakels der Lorenzkirche.
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Angesichts solcher Werke ist es schwer zu glauben, gleichwohl aber
durch Neudörtfer bezeugt, dass auch die drei Passionsscenen im Chor-um-
gange von S. Sebald vom Jahre 1501 von Krafft herrühren. Man möchte
sie eher einem Gesellen Kraffts, aber einem in alle Unschönheit, Härte und
Schärfe der Zeit verfallenen zuschreiben. Erst im Vergleich mit diesen
Arbeiten weiss man den Hauch maass- und seelenvoller Auffassung zu
würdigen, der in den übrigen Werken des Meisters selbst die herbsten
Gestalten umspielt. Dagegen zeigt die Krönung der Maria (lurch Christus
und Gottvater, links am Choreingange der Frauenkirche (1500) den Styl
Kraiffs in seiner liebenswürdig herzlichen Weise. Maria kniet andächtig
betend, in dem otfnen Antlitz der Ausdruck kindlicher Reinheit und Zu-
traulichkeit. Gottvater ist eine grossartige Gestalt. Nur haben die Figuren
wie die meisten Bildwerke dieser Kirche durch rohe Bemalung in neuerer
Zeit sehr gelittent). Denselben Gegenstand führte der Meister 1501 für
ein Landauefsches Grabmal etwas umfangreicher aus. Dies schöne Werk
befindet sich jetzt in einer Kapelle der Ae gidienkirch e. Die Gestalten
sind hier besonders kurz, aber edel bewegt, die Maria wieder mit un-
schuldigem Kindergesicht voll Liebliehkeit, Gottvater besonders feierlich,
nur Christus nicht recht innerlich belebt. Die Gewänder sind trotz der
knittrigen, bauschigen Falten grossartig angeordnet. Oben schweben
zwei Engel mit der Krone, unten sind musizirende Engel; sodann links
In der Jakobskirche sind fast alle Bildwerke „bronzirt", d. h. mit einem
hässlichen, stumpfen, schmutzig-grünen Farbenton bedeckt worden. Dies war (las
erste Stadium der Verballhornung, in welches die moderne Restaurationswuth ver-
fiel. Das zweite Stadium, durch die Scnlpturen der Frauenkirche vertreten, ist
das des gefühllosen Ueberschmierens mit grellen Farben, worin nmn sich ohne
Zweifel sehr mittelalterlich polyehrom vorkommt. Das eine ist so seheusslieh wie
das andere.