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Buch.
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stand einem Künstler der damaligen Zeit werden mochte: sieht man von
der steifen-Haltung ab, so liegt im Ausdruck wohl Etwas von Versöhnung,
von gegenseitigem Vergeben und Vergessen. Als Meister des Werkes wird
ein sonst unbekannter Hans „der Steinmeissel" genannt.
Kein Ort in Deutschland ist für die Steinsculptur dieser Zeit so be-
deutend wie Nürnberg, das in mehr als einer Beziehung hier die Stelle
einnimmt, welche in Italien Florenz zukommt. Eine der frühesten und
schönsten Sehöpfimgen des neuen Styls ist das grosse Relief eines thronen-
den Christus an der Südseite der Lorenzkireh e. Unter einer spatgothis
sehen Bekrönung, überdacht von einem Baldachin, dessen Vorhänge von
fliegenden Engeln zurückgeschlagen werden, thront der Erlöser, in der
Linken den Reiehsapfel mit dem Kreuz, in der Rechten das Scepter sammt
dem ofiiien Buch des Lebens haltend. Ein Kranz von schwebenden und
knieenden Engeln umgiebt ihn wie eine Aureole von jugendlicher Schön-
heit. Die beiden vorderen sind mit reichen Kronen geschmückt; der eine
halt ein mächtiges Schwert, der andere eine Lilie. In der Mitte knieen
an den Stufen des Thrones in winzigen Figürchen Stifter und Stifterinnen.
Das ganze Werk strahlt von Schönheit und Herrlichkeit, und obwohl in
der Gewandung die harten eckigen Brüche stark mitreden, ist doch die
Anordnung sowie die Composition im Ganzen grossartig und würdevoll.
Wer dies Werk, das um 1470 entstanden sein mag, geschaffen hat, lässt
sich nicht nachweisen. Von den Werken der bekannten Nürnberger
Meister unterscheidet es sich sowohl im Styl der Gewandung wie in dem
eigenthümlichen Sehönheitssinn, ja selbst im Charakter der Architektur.
Am meisten Berührungspunkte bietet es mit den Schöpfungen Adam
Krafftis, und es wäre nicht undenkbar, dass wir hier eine seiner früheren
Arbeiten vor uns hätten. Da. ausserdem die Gewandbehandlung, die
itrchitekturformen, imd mehr noch die naive Schönheit der Engelköpte
mit dem reichen Loekenhaar auf schwäbische Einflüsse zu deuten scheinen,
so würde unsere Vermuthung eine Bekräftigung erhalten, wenn die Sage
zu historischer Gewissheit würde, dass Krafft aus Ulm gebürtig sei. Wir
wollen indess einstweilen von solchen Vcrmuthungen abstehen und uns zu
den sicheren Werken dieses bedeutenden Meisters wenden.
Adam Krajft mag um 1430 geboren sein. Seit 1462, wo er das
Michaelchörlein der Frauenkirche baute, finden wir ihn in Nürnberg. Nach
Neudörffers Angabe verheirathete er sich 1490 zum zweiten Male, und
starb 1507 zu Schwabach im Spital. Die Reihe seiner sicheren und
datirten Werke beginnt erst 1490 mit den berühmten Stationen, und lässt
sich von da ununterbrochen bis an seinen Tod verfolgen. Um so auf-
fallender, dass wir aus der ganzen früheren Lebenszeit nichts mit Be-